Marktkommentar
Dr. Daniel Hartmann (BANTLEON): Draghi rudert zurück
Bei der gestrigen EZB-Sitzung vermied Mario Draghi jeglichen Eindruck, dass eine geldpolitische Straffung unmittelbar bevorsteht.
Mario Draghi ist im Rahmen der gestrigen Notenbanksitzung im Vergleich zu seiner Sintra-Rede zurückgerudert. Er vermied jeglichen Eindruck, dass eine geldpolitische Straffung unmittelbar bevorsteht. Dessen ungeachtet gehen wir weiterhin davon aus, dass spätestens im Oktober eine Entscheidung über die Anpassung des QE-Programms getroffen wird und die Anleihenkäufe 2018 auf null zurückgeführt werden.
Mit seiner Sintra-Rede vom 27. Juni 2017 hatte Mario Draghi für viel Wirbel gesorgt. In aller Breite führte der Notenbankpräsident aus, dass die EZB Vertrauen in den konjunkturellen Aufschwung
gewonnen hat. In der Folge käme man nicht umhin, die geldpolitischen Parameter anzupassen – sprich den monetären Stimulus zurückzufahren. Daraufhin sind die Renditen (über alle Laufzeiten hinweg)
um über 30 Bp nach oben geschnellt. Gleichzeitig wertete der Euro gegenüber dem USD um weitere 3,0% auf.
In Anbetracht dieser Marktbewegungen überraschte es nicht, dass Draghi im Rahmen der jüngsten Notenbanksitzung kein zusätzliches Öl ins Feuer giessen wollte. Mit vielen Aussagen fiel er sogar wieder hinter die Sintra-Rede zurück. Statt in konjunktureller Euphorie zu schwelgen, stand eine andere Aussage im Vordergrund: »Bei der Inflation sind wir noch nicht am Ziel.« Es gäbe nach wie vor keine überzeugenden Anzeichen für einen breit abgestützten Aufwärtstrend bei den Teuerungsraten. In der Folge muss die Geldpolitik noch für lange Zeit expansiv ausgerichtet bleiben. Mithin ist eine plötzliche Verschärfung der Finanzierungskonditionen das Letzte, was der EZB-Rat derzeit gebrauchen könnte.
Entsprechend waren sich die Währungshüter vollkommen einig darin, dass der geldpolitische Ausblick (»forward guidance«) im Vergleich zur letzten Sitzung nicht angepasst wird. So sichern die Notenbanker weiterhin ein für lange Zeit tiefes Zinsniveau zu. Darüber hinaus wurde aber auch die Formulierung beibehalten, dass die Anleihenkäufe notfalls nochmals ausgedehnt werden könnten.
Die Notenbanker taten mithin alles, um den Eindruck zu vermeiden, ein Tapering stünde unmittelbar bevor. Draghi nannte daher auch mit Absicht kein konkretes Datum, wann über die Anpassung des QE-Programms entschieden wird. Nicht einmal eine Arbeitsgruppe wurde ins Leben gerufen, um die verschiedenen Szenarien durchzuspielen – dies ist sonst vor einschneidenden geldpolitischen Entscheidungen stets der Fall. Erst im »Herbst« käme die Diskussion darüber auf die Tagesordnung. Dann stünden auch die neuen Makro-Prognosen zur Verfügung. Die Sitzungen am 7. September bzw. 26. Oktober rücken damit ins Blickfeld.
Alles in allem wollten sich die Währungshüter die grösstmögliche Flexibilität bewahren. Auf keinen Fall sollte der Eindruck entstehen, dass es bereits einen konkreten Plan für eine monetäre Straffung gibt.
Dessen ungeachtet muss spätestens im Oktober darüber entschieden werden, wie die geldpolitische Ausrichtung angepasst wird. Schliesslich läuft im Dezember das aktuelle QE-Programm aus (Kauf von 60 Mrd. EUR Anleihen pro Monat).
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Wir rechnen weiterhin damit, dass das Wertpapierankaufprogramm 2018 rasch zurückgeführt werden muss, auch wenn die Konjunktur in den kommenden Monaten etwas an Schwung verlieren sollte. Dafür spricht zum einen das kräftige Wachstum im laufenden Jahr (> 2,0% nach unserer Prognose). Zum anderen gehen der EZB schlichtweg die Anleihen aus. Ende dieses Jahres wird die Notenbank bereits rund 30% aller deutschen, niederländischen, finnischen und spanischen Staatsanleihen besitzen. Die Währungshüter werden daher im Herbst das Tapering beschliessen. Die Anleihenkäufe werden nach unserer Prognose bis September/Oktober 2018 auf null zurückgeführt sein (vgl. auch unsere neue Analyse: 2018 wird das Exit-Jahr der EZB).