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    Marktkommentar  684  0 Kommentare Keith Wade (Schroders): Wohin steuert die Weltwirtschaft?

    Keith Wade macht sich Gedanken zu politischen Risiken in der Eurozone, Herausforderungen durch den Brexit, den „Trump-Handel“ und niedriger Volatilität.

    Wie steht es um die globalen Konjunkturaussichten? Im Mittelpunkt der aktuellen Betrachtung stehen die nachlassenden politischen Risiken in der Eurozone, die Herausforderungen durch den Brexit, eine Prognose zum „Trump-Handel“ sowie einige Gedanken zur aktuellen niedrigen Volatilität.

    Positives Gesamtbild der weltwirtschaftlichen Situation

    Der synchrone globale Aufschwung, der im vergangenen Sommer begann, bleibt bestehen. Die Frühindikatoren sind in den meisten Regionen nach wie vor robust.

    Dies unterstützt die Nachfrage der Anleger nach Risikoanlagen wie Aktien und Unternehmensanleihen. Darüber hinaus verlief die Berichtssaison für das erste Quartal ausgesprochen positiv, insbesondere in den USA. Die Unternehmensgewinne werden weiter nach oben korrigiert.

    Die verschiedenen Phasen des Zyklus

    Die Konjunkturzyklen der Industrieländer klaffen noch immer auseinander. Die USA sind weiterhin führend beim Wachstum und befinden sich in einer späteren Phase des Konjunkturzyklus. Die Eurozone liegt dahinter zurück, wobei einige Länder – wie Deutschland – eine fortgeschrittene Phase des Zyklus durchlaufen, während andere Länder – wie Italien – hinterherhinken.

    Diese Konjunkturunterschiede von Region zu Region erklären, warum sich auch die geldpolitischen Zyklen auseinanderentwickelt haben. Die USA heben nun ihre Zinsen an, während andere Zentralbanken weiterhin eine ultralockere Geldpolitik verfolgen.

    Trotz der jüngsten synchronen Wachstumsbeschleunigung bleibt das globale BIP deutlich unter dem Niveau, das es erreicht haben könnte, wenn es nicht zur globalen Finanzkrise gekommen wäre. Dieser Rückstand kann möglicherweise nicht wieder aufgeholt werden. Dies führt zu einem Dominoeffekt in der Fiskalpolitik, da die Steuereinnahmen niedriger bleiben, als sie sonst hätten sein können.

    Ist Europa über den Berg?

    Wenn man speziell Europa betrachtet, dann ist eine laufende Verbesserung der Daten erkennbar, die auf eine weitere Beschleunigung des Wachstums schließen lässt. Die zukunftsgerichteten Einkaufsmanagerindizes deuten auf ein BIP-Wachstum von 2 % hin. Das wäre für die Eurozone ein solides Tempo.

    Gleichzeitig ist kein inflationärer Druck gegeben, weshalb die Europäische Zentralbank ihre lockere Geldpolitik beibehalten kann. Das Gespenst der Deflation ist gewichen, da sich das Wachstum beschleunigt.

    Die politischen Risiken in Europa haben sich nach dem Sieg des proeuropäischen Kandidaten Emmanuel Macron bei der Wahl in Frankreich aufgelöst.

    Das größte politische Risiko am Horizont stellt nun die Parlamentswahl in Italien dar, die bis zum Mai 2018 abgehalten werden muss. Die europafeindliche Fünf-Sterne-Bewegung steht weiterhin in den Meinungsumfragen gut da. Doch selbst wenn sie die stärkste Partei werden würde, müsste sie noch immer eine Koalition bilden, um regieren zu können. Darüber hinaus steht es noch ganz und gar nicht fest, ob sie erfolgreich wäre, wenn sie ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft Italiens durchführen würde.

    Europas strukturelle Probleme bleiben bestehen

    Obwohl die akuten Risiken im Hinblick auf die Wahlen abgeebbt sind, sind die chronischen Strukturprobleme in Europa nicht verschwunden. Macron steht mit der Reform der französischen Wirtschaft vor einer großen Aufgabe, obwohl er ein starkes Mandat für seine Pläne hat.

    Die relative Wettbewerbsfähigkeit der verschiedenen Länder der Eurozone stellt nach wie vor ein Problem dar. Länder wie Deutschland sowie in geringerem Maße auch Frankreich sind in der Lage, die Lohnstückkosten unter Kontrolle zu halten. Peripherieländer wie Italien und Griechenland hingegen müssen in der Regel zusehen, wie sämtliche Vorteile eines höheren Wachstums schon bald durch Lohnerhöhungen zunichtegemacht werden. Italien hat in der Vergangenheit auf dieses Problem der Wettbewerbsfähigkeit reagiert, indem es seine Landeswährung abwertete, doch dies ist in der Eurozone natürlich keine Option.

    Die britische Wirtschaft schwächelt

    Die britische Wirtschaft trotzte zunächst den Vorhersagen und schnitt wesentlich besser ab, als im Anschluss an das Brexit-Votum im Juni 2016 erwartet wurde. Nun jedoch lässt die Konjunktur nach.

    Ein wesentlicher Grund für die positive Entwicklung der britischen Wirtschaft im vergangenen Jahr waren die Konsumausgaben. Diese geraten jetzt jedoch durch die Inflation und die schwache Lohnentwicklung unter Druck.

    Das schwächere Pfund bedeutet, dass die Inflation voraussichtlich weiter steigt. Während die höheren Inflationsraten in anderen Regionen weitgehend auf die Erholung des Ölpreises zurückzuführen waren, bedeutet der Kursverfall des Pfundes in Großbritannien höhere Preise in sämtlichen Bereichen der Wirtschaft, einschließlich Kleidung, Lebensmittel usw.

    Während die Preise steigen, bleibt das Lohnwachstum verhalten. Dies bedeutet, dass die Verbraucher entweder ihre Ausgaben reduzieren müssen oder die Nachfrage nach Krediten steigen wird. Indes ist die Sparquote bereits gesunken.

    Brexit-Unsicherheit belastet Unternehmen

    Zwar blieben die Verbraucherausgaben nach dem EU-Referendum unverändert hoch, die Unternehmensinvestitionen gingen jedoch wie erwartet zurück. Obwohl die Exporteure theoretisch von einem schwachen Pfund profitieren sollten, lässt sich dies bislang noch nicht erkennen. Das ist naheliegend, weil die Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Handelsbeziehungen Großbritanniens viele Unternehmen davon abhält, langfristige Verträge einzugehen.

    Der Zeitplan für die Brexit-Verhandlungen ist ausgesprochen straff, vor allem angesichts der Tatsache, dass eine Ratifizierung seitens der einzelnen Parlamente erforderlich sein wird. Wir gehen auch weiterhin davon aus, dass eine Übergangs- oder Umsetzungsphase vereinbart werden wird. Dies dürfte allerdings wohl erst geschehen, wenn die Brexit-Frist im März 2019 näher rückt. In der Zwischenzeit könnte sich die Unsicherheit negativ auf unternehmerische Entscheidungen auswirken, und das Pfund könnte volatil bleiben.

    Angesichts dieses Umfeldes in Kombination mit dem Mangel an Teuerungsdruck durch die Löhne halten wir eine Zinserhöhung der Bank of England in nächster Zeit weiterhin für unwahrscheinlich.

    USA: Trump-Handel hat nachgelassen

    Die Wahl von Donald Trump wurde im Zuge des zunehmenden Vertrauens der Unternehmen und der Verbraucher mit einem Wiederaufkeimen der wirtschaftlichen Vitalität in den USA begrüßt. Die Anleger an den Aktienmärkten konzentrierten sich auf zyklische (konjunktursensible) Aktien, bei denen erwartet wurde, dass sie von Trumps wachstumsfreundlichen Plänen profitieren dürften.

    Dieser sogenannte „Trump-Handel“ hat mittlerweile nachgelassen. Die Anleger haben sich erneut den höherwertigen, defensiven Vermögenswerten zugewandt, die vor der US-Wahl von ihnen bevorzugt wurden, ebenso wie Technologietiteln.

    Der vornehmliche Grund für diese Umkehr scheint die Sorge zu sein, dass es Trump nicht gelingen könnte, seine politische Agenda durch den Kongress zu bringen. Es gibt Bereiche, in denen er unseres Erachtens nicht erfolgreich sein dürfte. Beispielsweise erscheinen seine Ziele, ein Wirtschaftswachstum von 4 % zu erreichen oder 25 Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen, als zu ehrgeizig. Allerdings halten wir es ebenfalls für unwahrscheinlich, dass Trump keinerlei politische Fortschritte erzielen wird.

    Weitere Fortschritte der US-Politik vor den Zwischenwahlen nötig

    Eine neue Steuer- und Gesundheitsgesetzgebung ist im Vorfeld der Zwischenwahlen im November 2018 von entscheidender Bedeutung für die Republikaner. Sollten in diesen Bereichen keine Fortschritte erzielt werden, dann könnten die Republikaner ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren und stünden letztendlich in Bezug auf die Gesetzgebung vor einer vollständig festgefahrenen Situation. Falls die Demokraten die Kontrolle über das Repräsentantenhaus erlangen, könnten sie möglicherweise versuchen, Trump seines Amtes zu entheben.

    Bei einer Reihe anderer Bereiche erwarten wir jedoch durchaus, dass die Trump-Regierung ihre Gesetze erfolgreich verabschieden wird. Dazu gehören Änderungen bei den Regelungen zur Rückführung überseeischer Vermögenswerte, die Deregulierung im Bankensektor und eine Senkung des Basissatzes der Körperschaftssteuer.

    Schwellenländer steuern wieder auf ruhigere Zeiten zu

    Trotz der Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed haben sich Schwellenländeranlagen in letzter Zeit gut entwickelt. Eine Erklärung dafür ist, dass die Währungen der Schwellenländer bereits 2015 und 2016 erheblich abwerteten, noch bevor die US-Notenbank Fed ihren aktuellen Zyklus von Zinserhöhungen einleitete. Angesichts ihrer wettbewerbsfähig scheinenden Währungen nehmen die Schwellenländer ihr Wachstum wieder auf.

    Zudem haben die Zentralbanken in den Schwellenländern die Zinsen erhöht, während in den Industrieländern niedrige oder sogar negative Zinssätze zu beobachten waren. Damit besteht ein Puffer, die Zinsen bei Bedarf wieder zu senken.

    Ein weiterer positiver Aspekt in Bezug auf Schwellenländeranlagen besteht darin, dass die von den USA angekündigten protektionistischen Maßnahmen bislang ausgeblieben sind.

    Sind die Anleger sorglos?

    Trotz allem, was in der Welt vor sich geht – von den US-Zinserhöhungen bis zur Krise in Syrien – befindet sich der VIX-Index, der als Maßstab für die Volatilität an den Märkten dient, auf einem ausgesprochen niedrigen Niveau.

    Zwar haben wir weiter oben bereits auf einige Risiken hingewiesen, es gibt jedoch gute Gründe für diese niedrige Volatilität. Es ist Fakt, dass die USA die Zinsen möglicherweise schneller erhöhen müssen, als es der Markt derzeit erwartet. Doch selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre global gesehen immer noch reichlich Liquidität vorhanden, da die Zentralbanken in Japan und Europa an ihrer Politik der quantitativen Lockerung festhalten.

    Man könnte annehmen, dass die Inflation im weiteren Verlauf des Konjunkturzyklus ein Risiko darstellt, doch das Lohnwachstum bleibt derzeit in den meisten großen Volkswirtschaften begrenzt. Dies liegt zum Teil an dem verschärften Wettbewerb im Zuge der Globalisierung, doch auch der technologische Wandel hat einigen Einfluss. So gehen z. B. Arbeitsplätze im Einzelhandel verloren, da die Verbraucher mehr und mehr zum Online-Shopping übergehen. Angesichts der Fortschritte, die in vielen Branchen auf dem Gebiet der Robotik erzielt werden, ist dies ein Trend, der sich fortsetzen dürfte.

    Allgemein betrachtet sind wir der Meinung, dass der Markt nicht von selbstgefälliger Sorglosigkeit geprägt ist, und wir möchten zudem auf den Mangel an wirklich sicheren Anlagemöglichkeiten hinweisen. In der Tat deutet die Präferenz der Anleger für höherwertige, defensive Segmente des Aktienmarktes auf das Bewusstsein hin, dass im aktuellen Umfeld Risiken bestehen. Ebenso erfreuen sich Technologietitel zunehmender Gunst. Deren langfristige Wachstumsperspektive bietet eine gewisse Abkopplung von kurzfristigen politischen und makroökonomischen Faktoren.



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