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     2851  2 Kommentare Geldpolitik in Nöten

    So recht scheint Mario Draghi nicht zu wissen, wie man die ultralockere Geldpolitik beenden kann, ohne dass es zu Kurseinbrüchen am Aktienmarkt kommt. Schon zarte Bemerkungen nach der Juni-Sitzung in diese Richtung hatten kurzzeitig den DAX schwer unter Druck gesetzt.

    Es wäre natürlich zu hoffen, dass die gegenwärtige Bewertung der börsennotierten Unternehmen auf anderen Erkenntnissen beruht als lediglich auf der Verfügbarkeit billiger Kredite. Aber wissen kann man das erst, wenn tatsächlich absehbar ist, dass nicht weiterhin 60 Milliarden Euro frisches Zentralbankgeld in die Volkswirtschaften gepumpt werden. Eine runde Billion sind es bisher schon, Ende wie gesagt offen. Dass es vor diesem Hintergrund beim Leitzins null geblieben ist, darf nicht verwundern – schließlich will die EZB erst einmal die Anleihekäufe auslaufen lassen, ehe es an den Zins geht. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, sieht bis zur Normalisierung der Geldpolitik die zweitausendzwanziger Jahre anbrechen: Das werde ein sehr langer Prozess. Keine guten Nachrichten für Sparer und Geldmarktfans.

    Die Sinnlosigkeit der Geldanlage in geldnahe Formen erweist sich, wenn das stimmt, als nachhaltige Erscheinung. Eine großangelegte Enteignung der Bürger zugunsten des Staates, formulieren Marktbeobachter die Sache eher drastisch. Solange die staatlichen Vertreter nicht einsehen, dass man in Form von Steuersenkungen etwas des Geldsegens an die Bürger zurückgeben sollte, und zwar direkt und nicht als weitere ausdifferenzierte Förderprogramme für bestimmte Klientel, seien es ältere Mütter oder jüngere Arbeitslose, solange also hält die Umverteilung munter an.

    Dividenden: allmählich dämmert es manchem Anleger

    Immerhin hat sich zuletzt die Zahl der Aktienanleger in Deutschland leicht erhöht; offenbar dämmert nun einigen der traditionell börsenfeindlichen Sparer, dass man allein mit der Dividendenrendite mancher DAX-Werte ein Vielfaches der Magerzinsen erzielen kann – durchaus auch bei Papieren solider Firmen, wo man nicht erwarten muss, dass Kursverluste das ausgeschüttete Guthaben gleich wieder aufzehren. Die Annahme übrigens, dass ein Ausstiegsprogramm der EZB recht unmittelbar bevorsteht, ist ja nur eine solche – bislang ist dafür der erste Schritt nicht getan, womit das Szenario „jahrelanger Prozess“ sich durchaus auch noch weiter in die Zukunft verschieben könnte.

    Die Zeit wird allerdings auf keinen Fall reichen, um Länder wie Griechenland aus der Klemme zu bringen – dort hat man auch das billige Geld nicht genutzt, um den Staat in Ordnung zu bringen. Die Lust am Untergang scheint man aus der antiken griechischen Tragödie ins moderne Hellas übertragen zu haben – so etwa streiken nun ausgerechnet zur Hochsaison die Hoteliers, was in einem Land, wo Tourismus faktisch die einzige funktionierende Industrie ist, in etwa so sinnvoll scheint wie sonnenbaden unter Tage. Auf Griechenland müsste Draghi also nicht warten, denn dann gäbe es nie mehr normale Verhältnisse in der Zinspolitik. Es sei denn, die faktische Staatspleite würde endlich auch formal eingeräumt – dann hätte sich einer der Gründe für die Nullzinsen erledigt. Der andere, immer wieder angeführte, nämlich das Zwei-Prozent-Ziel bei der Inflation, wird sich vermutlich ebensowenig realisieren.

    Kurzum: Was eine Billion an Billiggeld nicht geschafft hat, werden weitere Milliarden auch nicht auslösen können – 1,3 Prozent Preissteigerung gibt es derzeit in der Eurozone, und wenn angesichts der herrschenden Konjunktur und der Geldpolitik diese Rate partout nicht steigen will, sollte man sich vielleicht vom Glauben an die zwei Prozent langsam lösen. Aber vielleicht überrascht uns die EZB ja alle mit einer unerwarteten Wendung.

    Autor: Reinhard Schlieker- Diese Kolumne erschien zuerst in der "Börse am Sonntag"




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