Marktkommentar
Rainer Lemm (GS&P): Recordati kennt nur eine Richtung - nach oben
Ein europäisches Pharmaunternehmen in Familienhand, mit gut austariertem Geschäftsmodell und fünf etwa gleich große Standbeine. Rainer Lemm erklärt das Erfolgskonzept.
Die Recordati S.p.A. ist ein europäisches Pharmaunternehmen, das 1926 gegründet wurde und das heute in der 4. Generation noch immer in Familienhand ist. Der Hauptsitz befindet sich seit 1953 in Mailand, wo die Firma seit 1984 auch börsennotiert ist.
Das Unternehmen wird in diesem Jahr einen Umsatz von ca. EUR 1,3 Mrd. erwirtschaften, mit einem Anteil von 22% in Italien und insgesamt 54% in Europa. Ergänzende Vertriebsaktivitäten gibt es vor allem in den USA, der Türkei, Osteuropa und Asien.
Segmentmäßig ist das Geschäftsmodell gut austariert, es gibt fünf etwa gleich große Standbeine, von denen im deutschsprachigen Raum das OTC-Geschäft nach der Merckle-Übernahme mit Medikamenten wie
JHP Rödler, Dolobene oder Rhinopront am bekanntesten sein dürfte. Die anderen Bereiche sind Herz-/Kreislaufkrankheiten, Urologie, lokale Produkte und seltene
Krankheiten.
Medikamente gegen seltene Krankheiten stellen eine besonders profitable Nische dar; zum einen herrscht hier wegen des hohen Spezialisierungsgrades weniger Konkurrenz, zum anderen sind die
klinischen Testreihen weniger aufwendig und somit finanziell weniger riskant. Dies führt für diesen Bereich zu hohen EBIT-Margen von rd. 43% und dazu, dass die Netto-Marge für die
Recordati-Gruppe insgesamt auf beachtliche 22% gestiegen ist.
Eine Besonderheit von Recordati liegt im sorgfältigen Umgang mit Blockbustern, die ihren Patentschutz verlieren. Während größere Pharmafirmen hier weniger Interesse an
Bestandspflege zeigen, vermarktet Recordati diese Medikamente weiterhin aktiv und behält dauerhaft einen größeren Marktanteil, der auch zu gesunkenen Marktpreisen hochprofitabel ist.
Gleichzeitig werden Jahr für Jahr rund 8% des Umsatzes in Forschung & Entwicklung investiert, was zu einer ansehnlichen Pipeline mit Produkten gegen Schmerzen
(Methadon), Schizophrenie, Leukämie oder Hämophilie geführt hat.
Angesichts der hohen Ertragskraft kennt der Aktienkurs mit Ausnahme der größeren allgemeinen Marktkorrekturen nur eine Richtung: nach oben. Wir hatten die Position nach der Fondsauflegung Ende 2003
in der Anfangsphase zu Kursen unter 4 Euro aufgebaut, inzwischen wurden in der Spitze fast 40 Euro erreicht.
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Die Bewertung ist mit einem geschätzten KGV von 28 für das aktuelle Jahr erwartungsgemäß erhöht, dafür erhält der Investor allerdings auch ein Geschäftsmodell, das ohne Schulden auskommt, eine
Eigenkapitalquote von 56% ausweist und nur einen überschaubaren Goodwill mit sich führt. Und auch weiterhin will Recordati überproportional wachsen, nicht nur durch gelegentliche
Akquisitionen, sondern vor allem durch die ordentliche Produktpipeline.
Trotz dieser Wachstumsstrategie erwartet den Recordati-Aktionär eine ordentliche Dividende von ca. 70 Cent, die einer Pay Out-Ratio von 60% entsprechen – und dies trotz des in den letzten 14 Jahren rund verzehnfachten Kurses. Die restlichen 40% des Ergebnisses werden für das Wachstum eingesetzt.
Transaktionen
Wir haben im letzten Monat keine Unternehmen neu erworben oder aus dem Portfolio genommen.