Dann schreibe ich mal was zu ETH und ich bitte gleich, das nicht überzubewerten. Wenn man mal von den BTC-Maximalisten absieht, ist die Sicht der Mehrheit im Kryptoversum eine andere als meine, zumindest derzeit noch.
Ich vermute, dass Ethereum diesen Zyklus an die 10k laufen kann, auch wenn es vorher nochmal Richtung 2k gehen kann. Nur meine Glaskugel. Also macht man vermutlich keinen Fehler, es einfach erstmal zu halten. Langfristig ist das Risk/Reward-Verhältnis in meinen Augen eins der schlechteren. Sowohl BTC als auch SOL halten fühlt sich besser an als ETH, auch wenn SOL schon risikoreicher als ETH ist, aber bei absehbarer Festigung der klaren ETH-Alternative Nr.1 eben auch mehr Luft nach oben hat. Ich denke aber SOL wird die Erkenntnisse aus den temp. Problemen (hoher Traffic führte zu überproportional vielen nicht ausgeführten Transaktionen) vor ein paar Wochen nutzen, um sein Netzwerk weiter abzuhärten, was ja offiziell immer noch Beta-Status hat.
Ethereum ist in aller Munde, aber es gibt ein paar sehr kritische Punkte, die durch die über die letzten Jahre eingeschlagene Richtung entstehen:
Der Merge wurde groß gefeiert und das nun tendenziell deflationäre Protokoll wurde fast schon zum Meme hochstilisiert und gehypt. Dadurch hat man es geschafft, dass ETH/BTC sehr lange ungewöhnlich stabil geblieben ist. Dieses Narrativ ("Ultrasound Money", "deshalb muss ETH mehr steigen als BTC") verliert aber immer weiter an Glanz und treibt auch immer mehr Entwickler weg, gerade solche die neue Innovationen bringen und nicht eh schon im Krypto-Zirkel alte Rezepte aufkochen.
Ich beschreibe es mal zugespitzt so: Ein deflationärer Coin, der gleichzeitig aber Staking-Rewards abwirft und bei dem 50% des Supplys bei ICO-Investoren sitzt, bedeutet, dass der Einfluss dieser Mehrheit, die darauf hingewirkt hat, dass das Protokoll eben genau so wird, dauerhaft ihren Einfluss behalten oder erweitern wird. Es gibt nichts Abweisenderes für Neulinge.
Dazu kommt (1), dass jeder, der nicht einfach Vorhandenes kopieren und maximal leicht abwandeln will, mittlerweile wenn irgendwie möglich einen Bogen um die EVM macht. Es gibt quasi keine fehleranfälligere dezentrale Entwicklungsumgebung. Die Solana VM wird allgemein als besser angesehen und es gibt viele Protokolle, die da noch deutlich weitergehen und Web3-Applikationen bei einem Bruchteil des Aufwands zu deutlich erhöhter Sicherheit ermöglichen, teils ohne überhaupt die Gefahren einer VM eingehen zu müssen, z.B. EGLD, XRD und die andere über die ich gerne rede, will aber nicht schon wieder als Shiller rüberkommen ;-)
Dazu kommt (2), dass Ethereum Skalierung über Sharding komplett aus seiner Roadmap genommen hat und damit nur noch auf Skalierung über Layer2's setzt. Da bislang kein ETH-L2 wirklich dezentralisiert ist (es gibt meines Wissens jeweils mindestens die Möglichkeit die Funktionsweise der Contracts über ein Multisig zu updaten, was prinzipiell jede Aktion ermöglicht) und es unklar ist, ob es hierzu überhaupt hinreichende Anreize gibt, bleibt auf absehbare Zeit nur die Wahl zwischen einem bezahlbaren System, was ungefähr so dezentral ist wie BNB oder XRP und daher gebührenmäßig mit diesen konkurriert oder eben dem Ethereum-L1, dessen unvorhersehbare Gebühren-Kapriolen ernsthafte Anwendungen (abseits von DeFi der Big-Bag-Holder und temp. NFT-Hypes, plus dem nächsten ähnlichen Modell, was sicher kommen wird) nicht zulassen.
Der Plan war, dass ETH-L2s massiv Gebühren auf L1 generieren sollten, um den Abfluss an Anwendungen auf L2 durch Steigerung der Gesamtaktivität überzukompensieren. Allerdings war schnell klar, dass die Gebühren der maximal leidlich als dezentrale Blockchain durchgehenden L2s eben nicht konkurrenzfähig mit BNB/SOL und Co waren und die Abwanderung von Aktivität wurde immer stärker. Nun hat man notgedrungen die Blobs eingeführt und damit die Aktivität von L2s vom Gebührenmarkt erstmal entkoppelt, um dem entgegenzuwirken, was aber die Aktivität auf ETH-L1 nun einfach nur kannibalisiert. Abwanderung auf L2 ohne positiven Einfluss auf die Nachfrage nach ETH-L1.
Zusammengefasst: Ich sehe ETH in einer sehr misslichen Lage. Als schwer zu manövrierendes Dickschiff sind die Möglichkeiten hier gegenzusteuern auch sehr begrenzt. Wie gesagt: Ich stehe mit den Einschätzungen weis Gott nicht allein da, aber viele sehen das anders. Viele sind eben auch in ETH als die klare #2 investiert und haben immer noch ein potentielles Flippening im Kopf. Die Chancen darauf sehe ich ehrlicherweise bei Nahe Null. Die Frage ist für mich eher, ob es #2 bleiben kann. Und dafür muss es als "digitales Silber", quasi als zweiter BTC akzeptiert werden. Den Weg über Nutzung sehe ich als immer unwahrscheinlicher an.
Gerne andere Meinungen dazu!
Übrigens Kudos an balou für den Top-Beitrag, der an den meisten Stellen voll ins Schwarze trifft. Die Nuancen, die ich da evtl. anders sehe, sind sehr überschaubar.