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    BEHAVIORAL FINANCE  1379  0 Kommentare Rendite-Obergrenzen für Euro-Krisenländer? – Bitte nicht, Herr Draghi!

    Ein Gut ist genauso viel wert, wie dafür bezahlt wird, sagt die Theorie des effizienten Marktes. Demnach entspräche es dem fairen Wert, wenn Spanien und Italien so hohe Zinsen für ihre Schulden zahlen müssten, wie sie derzeit vom Markt eingefordert werden. Die Behavioral Finance zweifelt ohnehin an der Effizienzmarkthypothese, aber längst halten auch (Geld-)Politiker und Standardökonomen die hohen Zinsen der Peripherie-Länder für nicht länger gerechtfertigt. Aber wo liegt denn, bitteschön, der faire Wert? Nachdem das Magazin Der Spiegel ohne Angaben von Quellen berichtet hatte, die EZB wolle eine Obergrenze für die Zinsen der Peripherie-Länder einführen, die an den Renditeabstand zu Bundesanleihen gekoppelt werden könnten, ist eine heftige Diskussion entbrannt: Macht das Sinn oder nicht?

    Kennt die EZB den fairen Wert?

    Ich habe mich zunächst gefragt, was die Ökonomen der EZB wohl befähigt, den fairen Wert einer Staatsanleihe und damit den fairen Zins zu bestimmen? Eine ganze Armee von Analysten versucht sich schließlich Tag für Tag daran, den inneren Wert von Aktien, Anleihen und Co. zu berechnen – mit durchwachsenem Erfolg. Man muss sich nur einmal die Prognosen von zehn verschiedenen Banken zu einem bestimmten Unternehmen anschauen – der eine Analyst urteilt „Daumen rauf“, der andere ist fest davon überzeugt „Daumen runter“ – um einen Eindruck davon zu gewinnen, wie schwer es ist, den fairen Wert zu berechnen. Warum sollte den Ökonomen der EZB gelingen, was bei Heerscharen von anderen Ökonomen regelmäßig nicht klappt?

    Und dann ist da noch die Sache mit der Kopplung an Bundesanleihen. Was, wenn die Rendite deutscher Staatsanleihen künftig kräftig steigt? Sind dann Zinsen von 7 oder 8 Prozent für spanische Staatsanleihen plötzlich wieder fair?

    Vorsicht: Commitment!

    Einen Vorteil hat es sicherlich, wenn man ein Limit für die Zinsen der Peripherie bekanntgäbe: Der Markt würde ein Stück weit für die Zentralbank arbeiten, ohne dass diese dafür einen einzigen Euro einsetzen muss. Siehe etwa die Schweizer Nationalbank: Zunächst wirkte der Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro ziemlich abschreckend. Mittlerweile allerdings nicht mehr und das ist genau das Problem: Durch die Bekanntgabe eines Mindestkurses sind die Schweizer Notenbanker ein hohes Commitment eingegangen. Sie haben sich verpflichtet, in jedem Fall zu intervenieren, koste es was es wolle. Wie viel dieses Commitment am Ende kosten wird und ob die SNB letztlich Erfolg haben wird mit ihrer Strategie, steht noch in den Sternen. Eines ist allerdings sicher: dass man durch ein solch hohes Commitment Gefahr läuft, fortan Informationen selektiv wahrzunehmen und selektive Entscheidungen zu treffen. Anders ausgedrückt: Neue, nachteilige Entwicklungen werden heruntergespielt und zu spät korrigiert.

    Man nehme einmal an, die EZB ließe sich auf feste Limits für die Rendite der Peripherie-Staaten ein: Sie wären womöglich gezwungen, astronomische Summen aufzuwenden – versprochen ist versprochen. Aber was, wenn durch die Interventionskäufe der Zentralbank Inflation entstünde? Würde sie früh genug einschreiten und das Geldmengenwachstum eindämmen, statt es durch weitere Staatsanleihekäufe auszuweiten? Bisher hat Notenbankchef Mario Draghi nur vage versprochen, den Euro retten zu wollen, ohne feste Zielgrößen zu nennen. Aus meiner Sicht sollte er es dabei belassen: Keine Limits bekanntgeben, keine Interventionsvolumina veröffentlichen. Stattdessen sollte er sich seine Flexibilität bewahren. Das gibt den Zentralbankern die Möglichkeit, den Markt noch zu überraschen und erhält ihre Fähigkeit, auch auf kommende Unwägbarkeiten ohne bleischwere Commitments reagieren zu können.




    Christin Stock
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    Christin Stock, Analystin und Bloggerin.
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    Weitere Informationen zur Autorin und der Behavioral Finance: www.blognition.de.
    Verfasst von 2Christin Stock
    BEHAVIORAL FINANCE Rendite-Obergrenzen für Euro-Krisenländer? – Bitte nicht, Herr Draghi! Ein Gut ist genauso viel wert, wie dafür bezahlt wird, sagt die Theorie des effizienten Marktes. Demnach entspräche es dem fairen Wert, wenn Spanien und Italien so hohe Zinsen für ihre Schulden zahlen müssten, wie sie derzeit vom Markt eingefordert werden. Die Behavioral Finance zweifelt ohnehin an der Effizienzmarkthypothese, aber längst halten auch (Geld-)Politiker und Standardökonomen die hohen Zinsen der Peripherie-Länder für nicht länger gerechtfertigt. Aber wo liegt denn, bitteschön, der faire Wert?