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    Staatsschuldenkrise  2261  0 Kommentare Wie misst man die Leitungsfähigkeit von Staatsschuldnern?

    Warum man die grundsätzliche Leistungsfähigkeit von Staatsschuldnern gerade jetzt einer Neubewertung unterziehen sollte:
     
    Staatsschuldenkrisen nun auch an den entwickelten Märkten
     
    Noch vor ein paar Jahren galten Staatsschuldenkrisen und Zahlungsausfälle bei Staatsanleihen als Phänomen der Emerging Markets. In den 1980er und 1990er Jahre traten diese nämlich nur in den weniger entwickelten Weltregionen in Erscheinung. In den USA, Europa und Japan blieben Staatspleiten dagegen aus. Daher bildeten Wachstumsentwicklung, Inflation und Zentralbankpolitik die wichtigsten Einflussgrößen an den Staatsanleihemärkten der entwickelten Welt. Kreditrisiko spielte so gut wie keine Rolle.
     
    Die Staatsschuldenkrise in der Eurozone hat das von Grund auf geändert. Langsam, aber sicher hat sich die Anlegerwahrnehmung des Ausfallrisikos von EWU-Staaten seit Anfang 2009 zu einem der Richtungsweisenden Faktoren an den europäischen Staatsanleihemärkten entwickelt. Da Staatsanleihen von den entwickelten Märkten einer der wichtigsten Bausteine, wenn nicht sogar das Rückgrat vieler diversifizierter Portfolios sind, stellt dies für Anleger, die sich um eine optimale Balance zwischen Risiko und Ertrag bemühen, eine beispiellose Herausforderung dar. Ein neues Konzept für das Engagement an den globalen Staatsanleihemärkten ist daher im Sinne von Kapitalschutz und Portfoliodiversifikation unerlässlich. 
     
     
    Das „sicherste“ Asset erkennen
     
    Die Mehrzahl der Investoren, ob Privatanleger, Vermögensverwalter oder Institutionelle, setzen seit jeher auf einen hohen Anteil „sicherer“ Assets in ihren Portfolios. Traditionell bieten Staatsanleihen von den entwickelten Märkten diese Sicherheit. Doch darauf kann man sich jetzt nicht mehr verlassen. Die statische Allokation in eine bestimmte Zahl von Staatsanleihemärkten bietet nicht mehr automatisch Kapitalschutz und Diversifikationsvorteile. Eine flexiblere Herangehensweise ist jetzt vonnöten, denn ein Staat, der heute noch als sicher gilt, kann morgen schon wackeln. Damit steigt nicht nur das Risiko, das eingesetzte Kapital einzubüßen, auch die Diversifikationsvorteile schwinden. Denn schließlich könnten Staatsanleihen inmitten einer Finanzkrise, wenn Aktien und Immobilien fallen, ebenfalls an Wert verlieren.
     
    Um die „sichersten“ Assets herauszufiltern, die das geringste Ausfallrisiko mit hoher Liquidität und Handelbarkeit kombinieren, braucht man ein Portfolio, das das Kreditrisiko diversifiziert, also flexibel auf die neuesten Erkenntnisse zu Solvenzrisiken und Finanzierungsbedarf reagiert. Staatsanleihen werden weiter darin enthalten sein, da andere „sichere“ Kandidaten, wie Gold, in Stressszenarien weniger Ertragschancen und Liquidität bieten. Die Zusammensetzung des Staatsanleiheportfolios wird sich im Laufe der Zeit dynamisch verändern, global diversifiziert sein und nicht von der (relativ) statischen Marktkapitalisierung oder den der Entwicklung (oftmals) hinterherhinkenden Rating-Kriterien abhängig sein.
     
    Die Herausforderung besteht darin, zeitnah zu erkennen, welche Länder aller Wahrscheinlichkeit nach ihre vergleichsweise hohe Bonität beibehalten werden und am Markt als zuverlässig gelten. Dazu reicht es nicht länger, sich nur die Fundamentaldaten des betreffenden Landes anzuschauen. Eine der wichtigsten Lehren aus den Finanzkrisen der letzten 25 Jahre (Japan Anfang der 1990er Jahre, Asien/Russland/LTCM Ende der 1990er Jahre, Bilanzierungsskandale im IT-Sektor in den Jahren 2000-03, Kredit- und Staatsschuldenkrise 2007-12) ist, dass die Liquiditätslage zu Rückkopplungen in die Realwirtschaft führt, so dass Solvenz in erster Linie von den Liquiditätskosten abhängt.
     
    Seit der Eurokrise wissen wir zudem, dass die Anforderungen der „politischen“ Ökonomie ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Es geht also nicht allein um die Fähigkeit der Schuldnerländer, ihren Verpflichtungen nachzukommen, sondern ebenso um ihre Bereitschaft. Diese Messgrößen sind nicht konstant; daher muss sich die Analyse staatlicher Solvenz flexibel dem wandelnden Umfeld anpassen.
     
     
    Risikofaktoren
     
    Bei unserer Analyse wollen wir Staaten sowohl nach ihrer Zahlungsfähigkeit als auch nach ihrem Zahlungswillen beurteilen. Dabei berücksichtigen wir auch das Marktvertrauen, dass ein Land mittelfristig genießt. Die Zahlungsfähigkeit hängt vor allem von soliden Haushaltsbilanzen und Zugang zu Finanzierungsquellen ab.
     
    Das bezieht sich auf das Verhältnis zwischen Schulden und Wirtschaftsleistung (BIP) sowie die Entwicklung des Schuldenstands auf kurze (Haushaltssaldo) und lange Sicht. Hier darf man nicht nur auf das künftige Ertragspotenzial (langfristiger Wachstumstrend) fokussieren, sondern muss auch künftige Verbindlichkeiten wie Renten- und Gesundheitsausgaben sowie die Aufwendungen für eine eventuell erforderliche Rettung Systemtragender Branchen einbeziehen.
     
    (Gastbeitrag von Valentijn van Nieuwenhuijzen, Head of Strategy, STAAG und Sylvain de Ruijter, Head of Core Fixed Income)




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