SIW 35/2013:
Das Duett, das ein Duell sein wollte
Kanäle voll
Das war es also, das „TV-Duell“ zwischen Amtsinhaberin und Aspirant: Merkel gegen Steinbrück. Das Einheitsprogramm zur Wahl lieferten in trauter Gemeinsamkeit die staatlichen Zwangsabgabensender
ARD und ZDF sowie die Privaten RTL und ProSieben. Wer es geschafft hat, bis zum Ende dabeizubleiben ohne auf einen der verbliebenen Ausweichkanäle zu wechseln oder besser noch gleich weg zu
dämmern, der hat zumindest unter Beweis gestellt, dass er über das verfügt, was von den Bürgen in den kommenden Jahren vermehrt abgefordert werden wird – Duldsamkeit und Leidensfähigkeit angesichts
der personifizierten Alternativlosigkeit der beiden Hauptdarsteller. Immerhin 17,6 Millionen Zuschauer taten sich das (zeitweise) an. Sollten das alles Wahlberechtigte gewesen sein, wäre es nicht
einmal ein Drittel gewesen. Vielleicht denken sich manche Bürger, dass sie Politik nicht interessiere. Das Problem ist nur: Politik interessiert sich für die Bürger, vorzugsweise für die Früchte
von deren Arbeit. Denn ohne Rekordsteuereinnahmen von inzwischen über 610 Milliarden Euro pro Jahr – die natürlich immer noch nicht reichen – hätte das ganze Polittheater nie in jene Dimensionen
hineinwachsen können, die wir heute zu ertragen haben. Da wollen einige künftig sogar bis auf unsere Teller durchregieren, natürlich auch dies bezahlt von unserem eigenen Geld. Es ist längst
überfällig, dass das Verhältnis von Souverän zu politischem Personal – genau: von den Bürgern bezahltes Personal – wieder auf die Füße gestellt wird.
Dabei war die Fragerunde phasenweise durchaus lebhaft. Zentrale Themen des Gemeinwesens, wie Demografie, Euro-Politik oder Integration wurden aber nicht vertieft wenn nicht gänzlich gemieden –
zumindest als kontroverse Diskussionsgegenstände. Im aktuellen Smart Investor 9/2013
beschäftigen wir uns in der Titelgeschichte „Hat Deutschland die Wahl?“ ausführlich mit der anstehenden Bundestagswahl – natürlich weniger „mainstreamig“ als im Staats- oder Privatfernsehen.
Willige und Unwillige
Im Syrienkonflikt wurde in der Berichtswoche dagegen erst einmal ein Gang zurückgeschaltet. Das britische Unterhaus ließ Premierminister Cameron, der bereits mitten in Kriegsvorbereitungen steckte,
regelrecht auflaufen und lehnte eine britische Beteiligung an einem Angriff auf Syrien ab. Dies ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Zum einen ist der amerikanischen Regierung damit der
treueste Bundesgenosse aus früheren Waffengängen vorerst einmal abhandengekommen. An der Seite von Obama steht nun ausgerechnet alleine das sozialistische Frankreich des François Hollande. Dieser
bemühte sich gestern in einem Gastkommentar für den Focus redlich zu erklären: „Warum ich in Syrien die Waffen sprechen lassen will“. Obwohl das eigentlich in der französischen Verfassung gar nicht
vorgesehen ist, mehren sich nun auch in der „Assemblée nationale“, dem französischen Parlament, die Stimmen, die nicht nur informiert, sondern nach dem Vorbild des britischen Unterhauses ebenfalls
mitentscheiden wollen. Dabei hätten selbst die britischen Abgeordneten gar nicht entscheiden müssen. Die FAZ sprach in entlarvender Offenheit von einer „eigentlich symbolischen Abstimmung“.
Insofern muss man die britischen Abgeordneten beglückwünschen, dass sie sich ihrer Instrumentalisierung durch die Regierung erfolgreich entzogen haben. Eine Entwicklung, die man sich auch
hierzulande wünschen würde, wo die Abgeordneten des Bundestages im Zuge der Euro-„Rettung“ mehrfach von der Exekutive missbraucht wurden, um dem bereits Beschlossenen nachträglich noch einen
irgendwie demokratischen Anstrich zu verpassen. Klar, dass besonders die nichtgewählte Exekutive – etwa in Gestalt des „EU-Ratspräsidenten“ Herman van Rompuy – mit gewählten Abgeordneten nationaler
Parlamente so ihre liebe Not hat. Am liebsten würde van Rompuy diese – so einem Positionspapier aus dem Jahr 2012 zu entnehmen – schon bald an die kurze Leine legen.