SIW 9/2014
Mega-Crash voraus?!
„Chart of Doom“
Durch das Internet geistert derzeit ein Chart, der den Marktteilnehmern heiße und kalte Schauer über den Rücken jagen dürfte. Gezeichnet wird eine Parallele zwischen der Kursentwicklung des
Dow-Jones-Industrial-Index (DJIA) der Jahre 1928 bis 1930 auf der einen Seite und dem der Jahre 2012 bis 2014 auf der anderen Seite. Aufgebracht hat die Geschichte der McClellan Market Report, der
damit auch gleich sein vorrangiges Ziel erreicht haben dürfe – er kam ins Gespräch. Die Horrorkurve verbreitete sich nicht nur in den USA in Windeseile und wurde dort zu einem der meistgeklickten
Charts. Auch hierzulande wurde die Analogie von den großen Wirtschaftsmedien begierig aufgenommen und weiterverbreitet. Dabei war zu beobachten, dass mit zunehmendem zeitlichen Abstand die
Berichterstattung differenzierter und vor allem distanzierter wurde. Dennoch, auf den ersten Blick ist die Optik der Kurven ziemlich zwingend. Falls die Entwicklung also nach dem Drehbuch der
ausgehenden 1920er Jahre weitergeht, dann stünde uns im DJIA ein Kursverlauf wie der Folgende bevor – nicht weniger als ein zweiter Börsencrash vom Ausmaß des Jahres 1929:
Zurück zur Realität
Wirklich? Grundsätzlich ist zu solchen Analogien Folgendes zu sagen: Trotz aller Ähnlichkeiten zwischen den Kursverläufen, die man etwa hier auf Marketwatch.com unter dem Titel „Scary Parallel“ („Furchteinflößende Parallele“)
den Lesern näherbringt, ist so ein singuläres Ereignis wie der 1929er Börsencrash statistisch ohne jede Aussagekraft für die aktuelle Situation. Das wäre selbst dann so, wenn die Ähnlichkeit
tatsächlich so groß wäre, wie in dem Chart suggeriert wird. Tatsächlich ist aber nicht einmal das der Fall. Betrachtet man die Skalierung genauer, dann ist der DJIA in den ausgehenden 1920er Jahren
nämlich um knapp 100% gestiegen, während er im Parallelzeitraum 2012 bis 2014 gerade einmal ein Plus von gut 30% verzeichnen kann. Selbst wenn also ein vergleichbarer Kursrutsch unmittelbar
anstehen würde, dann hätte er nicht das prozentuale Ausmaß des Jahres 1929, sondern würde grob geschätzt nur ein Drittel davon betragen – vorausgesetzt, die Parallelentwicklung hätte Bestand. Das
Chartbild ist also auch in dieser Hinsicht höchst manipulativ und spielt mit den Ängsten der Anleger. Manipulativ ist natürlich auch der gewählte Ausschnitt der Kurven, denn in den Jahren vor 1928
bzw. 2012 löst sich die Parallelentwicklung zunehmend auf. Nach menschlichem Ermessen dürfte sie das auch nach diesem Zeitabschnitt wieder tun.