Ukraine-Russland-Krise
Nato streitet über Bewertung Russlands und Pläne Putins
In der Nato gibt es unterschiedliche Einschätzungen über das Ausmaß der russischen Aufrüstung an der Grenze zur Ukraine und die Pläne von Russlands Präsident
Wladimir Putin. Geheimdienste einzelner Mitgliedstaaten widersprechen Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und Oberbefehlshaber Philip Breedlove. Die beiden halten Moskau vor, rund 40.000
Soldaten an der Grenze zusammengezogen zu haben; sie warnen Putin vor einem Einmarsch in die Ostukraine. Das berichtet das Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe.
Nach Informationen aus Nachrichtendienstkreisen gehe es dem russischen Präsidenten hingegen vor allem darum, Muskeln zu zeigen („show of force“). Sowohl die Zusammensetzung der Truppen an der
Grenze wie auch das dort stationierte Kriegsgerät seien „von der Sache her“ für einen Großschlag „nicht geeignet“, so ein Geheimdienstler. Ein beträchtlicher Teil des Geräts sei vielmehr schon
vor Beginn des Konflikts vor Ort gewesen. Es fehle auch an logistischer Vorbereitung wie etwa einem Gefechtsführungszentrum, führt der „Spiegel“ aus.
Die Nato-Nachrichtendienstler bezweifeln zudem die offiziellen Angaben über die Zahl der stationierten Soldaten. Ihren Informationen nach hat Russland weniger als 30.000, möglicherweise sogar
weniger als 20.000 Mann zusammengezogen. Truppenbewegungen erklärten sich zumindest teilweise aus einem Austausch der Soldaten, die seit Wochen bei nassem und kaltem Wetter unterwegs seien. Hinzu
gekommen sei ein turnusmäßiger Wechsel der Wehrpflichtigen zum 1. April.
Doch damit sei für die Regierung in Kiew allerdings keine Entwarnung verbunden, so der „Spiegel“: Denn die Experten halten die ukrainischen Sicherheitskräfte und die Armee für sehr schwach und
verweisen auf Jahrzehnte der Misswirtschaft. Im Osten des Landes sei der Anteil der pro-russischen Kräfte in der Bevölkerung zudem so groß, dass Putin gar nicht einmarschieren müsse, um seinen
Einfluss sicherzustellen.