Russland - Wirtschaft
Droht Russland eine Art Lehman-Krise?
Zeigen die Sanktionen gegen Russland, vor deren Hintergrund immer öfter von einem Finanzkrieg gesprochen wird, bereits ihre Wirkung? Die russische Bevölkerung scheint jedenfalls extrem
verunsichert - russische Unternehmen nicht minder.
Indizien für eine unsichere Stimmung in der Bevölkerung gibt es viele. Dazu zählt auch der Konsum. Wenn die Bevölkerung Angst vor einer Verschlechterung der Lage im Land hat, deckt sie sich ein.
Mit Lebensmitteln, Kleidung und allem, was sonst zum Leben notwendig ist. Eine solche Stimmung macht sich offenbar in Russland breit. Während auf politischer Ebene noch verhandelt wird, reagiert die russische Bevölkerung bereits auf die zunehmende Ungewissheit. Die Angst vor einer Inflation treibt die Menschen in die Kaufhäuser. Bereits im Februar war der
private Konsum um 3,9 Prozent gestiegen. Im März stieg dieser nochmal kräftig an – um vier Prozent. Diese Entwicklung steht im krassen Widerspruch zu der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. So
sind die real verfügbaren Einkommen im März um 6.8 Prozent eingebrochen. Selbst das russische Finanzministerium schließt eine Rezession nicht mehr aus,
berichtet die Tageszeitung „Die Welt“.
Der schwache Rubel treibt die Inflation. Allein in 2014 verlor die russische Währung gegenüber dem US-Dollar über acht Prozent, so die Zeitung. Besonders die enorme Teuerung von Lebensmitteln – um
8,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – bereitet der Bevölkerung Sorgen. Doch nicht nur die Bevölkerung, auch russische Firmen bekommen die wirtschaftliche Misere zu spüren. "Russland droht eine Art
Lehman-Krise", zitiert die „Welt“ Lars Christensen, Ökonom bei der Danske Bank. Die Devisenreserven der russischen Notenbank sind mit 442 Milliarden Dollar auf den niedrigsten Wert seit vier Jahren
gesunken. Dazu kommt, dass westliche Banken die Verlängerung von Krediten verweigern oder gar deren Kündigung umsetzen - aus Angst vor neuen Sanktionen. Derzeit prüfen die EU-Mitgliedsstaaten die
Wirkung weiterer Sanktionen, führt die Zeitung weiter aus. Demnach könnten wirtschaftliche Sanktionen vor allem auf den Gebieten von Waffen, Öl, Gas, aber
auch im Finanz- und Versicherungssektor umgesetzt werden.
Doch in der Beurteilung der Lage und der Haltung gegenüber Russland herrscht bei den westlichen Ländern keine Einigkeit. So berichtet unter anderem „Spiegel online“ über eine wachsende Diskrepanz zwischen der
EU und den USA in der Einschätzung Russlands. Demnach seien die USA bestrebt, Härte gegenüber Putin zu zeigen. Insbesondere von einer „Funkstille mit Russland“ ist dabei die Rede. Dies jedoch,
könnte die diplomatischen Bemühungen der Europäer ad absurdum führen. „Ich sehe den harten neuen amerikanischen Ansatz mit großer Sorge, denn langfristig gibt es keinen Stabilität ohne ein
vernünftiges Verhältnis zu Russland", zitiert das Magazin den SPD-Außenpolitiker Niels Annen. "Wir müssen aufpassen, nicht eine Politik langfristig festzuschreiben, die letztlich allen
schadet."
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