Kaum Investitionen
Wandert die deutsche Wirtschaft ins Ausland ab?
Die Wirtschaft brummt, doch die Investitionen sind mau. Ein Missverhältnis, das die eigentlich starke Konjunktur mittelfristig trüben könnte.
Großunternehmen haben in den vergangenen zehn Jahren sogar mehr Abschreibungen getätigt als Bruttoinvestitionen. Die Nettoinvestitionen liegen bei rund 100 Milliarden – im Minus, berichtete jüngst die Tageszeitung „Welt“. Mittelständische Unternehmen hätten im selben Zeitraum zwar 350 Milliarden mehr investiert als abgeschrieben, doch auch hier sei der Trend seit 2006 negativ, heißt es. „Der Trend geht dahin, dass kleine und mittlere Unternehmen ihre Investitionen abschmelzen und große Unternehmen netto gar nicht mehr in Deutschland investieren“, zitiert die Zeitung den KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner.
Auch andere Zahlen zeugen nicht gerade von großer Investitionslust: So überstiegen mittlerweile schon bei 56 Prozent der kleineren Unternehmen die Abschreibungen die Investitionen. Auch die Investitionsdeckung, für die man die Höhe der Abschreibungen durch die Nettoinvestitionen teilt, ist seit 2006 gesunken. Der damalige Höchstwert betrug 156 Prozent, berichtet die „Welt“. Heute liege der Wert nur noch bei 116 Prozent. Fällt dieser unter die 100%-Grenze, so reichen die Investitionen nicht mehr aus, um Abschreibungen zu decken.
Schwache Investitionen also bei starken Konjukturdaten. Wo liegt die Ursache für dieses Paradoxon? Mögliche Gründe seien sowohl die fehlende Planungssicherheit durch Schuldenkrise und Energiewende, als auch eine „intelligente Produktion“ berichtet die „Welt“. Doch auch eine „Abwanderung“ der Investitionen deutscher Unternehmen in ausländische Märkte wird diskutiert. „Deutsche Unternehmen melden sich nicht beim Einwohnermeldeamt ab“, zitiert die Zeitung deswegen Michael Fuchs, Vize-Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht durch ein Übermaß zusätzlicher Belastungen unseren derzeit noch brummenden Wirtschaftsmotor überfordern oder gar abwürgen.“
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Ein wichtiger Ansatzpunkt, um solche Szenarien zu verhindern, seien öffentliche Investitionen, sagt Zeuner. Der Staat sollte also selbst ein gutes Beispiel geben und Geld in die Hand nehmen, um öffentliche Projekte zum Beispiel in Sachen Infrastruktur zu realisieren. Denn „öffentliche Investitionen sind eine zentrale Voraussetzung für private“, zitiert die „Welt“ Zeuner.