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    Meinung  1414  0 Kommentare Eine falsche Vision für eine liberale Partei

    Wenn meine Partei landauf landab über ein neues Leitbild diskutiert, dann will der Parteivorstand damit einen Konsens über die eigenen Grundprinzipien herstellen. Das ist begrüßenswert. Denn unter Liberalismus verstehen viele sehr unterschiedliche Dinge. Daher nimmt die zentrale Botschaft des Leitbildes eine wichtige Rolle ein.
     
    Im aktuellen Entwurf ist es die Vision „Chancen ermöglichen“. In dieser Vision kommt der alte Konflikt der Naumann-Liberalen und der Fortschrittsliberalen unter Eugen Richter Ende des 19. Jahrhunderts  wieder zutage. Die Klassisch-Liberalen unter Eugen Richter wollten die Gleichheit vor dem Recht. Später verwässerten Leute wie Friedrich Naumann diesen Grundsatz, indem sie Gerechtigkeit nicht mehr als „Gleichheit vor dem Recht“ interpretierten, sondern in „Chancengerechtigkeit“ umdeuteten. So schreibt Naumann etwa über seinen Widersacher Richter treffend, aber anklagend: „Weder vom neuen Nationalismus noch vom Sozialismus hat er etwas in seine Seele dringen lassen, und noch heute ist er eine Art manchesterliche Insel in einer anders gewordenen Welt.“ An anderer Stelle schreibt Naumann: „Der Sozialismus ist die denkbar weiteste Ausdehnung der liberalen Methode auf alle modernen Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnisse“. Zweck dieser Verwässerung war es, den Weg in den Wohlfahrtsstaat, dessen Allzuständigkeit und die Verschuldung zu bereiten. Dies sollte zur Versöhnung des Liberalismus mit dem Sozialismus führen, der „Chancengerechtigkeit“ stets als Chance zur Umverteilung verstanden hat, um damit „bessere Ergebnisse“ zu erzielen.
     
    Und auch später waren es Leute wie Karl Hermann Flach, der 1971 in seiner grünen Bibel „Noch eine Chance für die Liberale“ nicht mehr und nicht weniger forderte, als „die beiden großen europäischen Revolutionen, die französische 1789 und die russische von 1917, miteinander zu versöhnen. Sozialismus und Liberalismus sind eben nicht ‚Feuer und Wasser’, sondern in ihrem ursprünglichen Bemühen um den Menschen durchaus vereinbar“, so Flach in seiner Streitschrift.
     
    Und, das kann ich meiner Parteispitze nicht ersparen, darum geht es jetzt wieder, wenn sie von der Vision „Chancen ermöglichen“ spricht. Die „Entwicklung fördern“, „Zukunft sichernd …in einem zukunftssichernden Rahmen“ schreit förmlich nach dem Staat, der dies durch sein Eingreifen ermöglichen muss. Und es unterscheidet sich nicht von den anderen Parteien. So hat die SPD in Ihrem Wahlprogramm 2013 geschrieben: „Alle Menschen sollen gleiche Chancen und Perspektiven haben, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Weltanschauung oder einer bestehenden Behinderung. Freiheit, damit meinen wir nicht allein eine Freiheit von etwas, sondern auch eine Freiheit zu etwas: die Freiheit, sich zu entfalten, teilzuhaben und selbst zu entscheiden.“ Gleiches könnten CDU und Grüne auch aufschreiben.
     
    Die Vertreter des Naumann-Liberalismus wollen die Freiheit des Einzelnen einschränken, um damit ein Mehr an gemeinsamer Freiheit zu gewinnen. Diese „Freiheit zu etwas“ ist das Modell des Wohlfahrtsstaates bundesrepublikanischer Prägung, dessen Eingriffe in die individuelle Freiheit damit gerechtfertigt werden, dass dies zum Wohle und zum Erhalt der gemeinsamen Freiheit diene.
     
    Ich halte diesen Weg für falsch und habe bislang nicht den Eindruck gewonnen, dass dies die Basis der FDP begeistert und damit neue Wähler für uns erschließt. Ich habe Dutzende besorgte E-Mails von FDP-Mitgliedern bekommen, die in der Mehrheit bezweifelten, ob das Leitbild ergebnisoffen diskutiert werden soll und sich ein klareres klassisch-liberales Profil wünschen. Die FDP darf nicht im Oberflächlichen bleiben, indem sie ihr Image rhetorisch aufpoliert. Sie muss die Ursachen Ihres Niedergangs schonungslos erkennen, nur dann gewinnt sie wieder Glaubwürdigkeit. Doch wie müsste ein liberales Leitbild statt rhetorischer Politur aussehen?
     
    Eine echte liberale Agenda stellt den Einzelnen in den Mittelpunkt und verteidigt seine individuelle Freiheit, die gegenüber der Willkür des Staates verteidigt werden muss. Das ist der historische Auftrag der Liberalen und unterscheidet uns von allen anderen politischen Strömungen und Parteien. Viele Naumann-Liberale meinen, diese Definition des Liberalismus sei zu negativ. Doch es ist nicht negativ für die Interessen des Einzelnen, für Marktwirtschaft und das Recht, für Freihandel und offene Grenzen und für die Privatautonomie zu streiten.
     
    Deshalb muss die FDP ihre oberste Aufgabe darin sehen, die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze und den Schutz der individuellen Freiheit in allen Politikbereichen anzumahnen und einzuklagen. Liberale wollen den Weg frei machen für ein Jahrhundert der Freiheit und Prosperität. Wir glauben an die schöpferische Kreativität des Individuums und seine Fähigkeit, sein Leben eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu gestalten und für sich und seine Familie Verantwortung zu übernehmen. Indem der Bürger von der Bevormundung und Willkür der Macht befreit wird, öffnet sich der Weg zu einer starken und selbstbewussten Bürgergesellschaft, die geprägt ist vom Respekt für das Recht und die Freiheit der Mitbürger. Das ist die Grundlage für große wissenschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Leistungen, die am Ende allen Menschen zugutekommen.
     





    Frank Schäffler
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    Frank Schäffler (FDP) ist als klassischer Liberaler ein Kritiker der Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung und des geldpolitischen Kurses der EZB. Der Autor veröffentlicht wöchentlich seinen Weblog, den man hier auf seiner Homepage anfordern kann.
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    Verfasst von 2Frank Schäffler
    Meinung Eine falsche Vision für eine liberale Partei Unter Liberalismus verstehen viele sehr unterschiedliche Dinge. Wenn meine Partei landauf landab über ein neues Leitbild diskutiert, dann will der Parteivorstand damit einen Konsens über die eigenen Grundprinzipien herstellen. Das ist begrüßenswert.

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