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    Hüfner  1111  0 Kommentare „Deflation ist nichts Schreckliches“

    Volkswirt Martin Hüfner spricht mit FundResearch exklusiv über das zu Ende gehende Jahr, seine Erwartungen für 2015 und darüber, was Gold mit amerikanischen Zigaretten zu tun hat.

    FundResearch: Herr Hüfner, das Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Wenn Sie zurückblicken, was hat Sie in Bezug auf die Finanzmärkte am meisten überrascht?

    Hüfner: Für mich war das Jahr 2014 ein so ungewöhnliches, wie ich es selten erlebt habe. Es ist alles anders verlaufen als wir es gedacht hatten. Wir Ökonomen gingen zu Beginn des Jahres davon aus, dass es ein gutes Konjunkturjahr wird. Preisstabilität sollte es geben, aber keine Deflation, eine weitere Stabilisierung des Euro und auch innereuropäisch sollte es mit der Bankenunion auf einen guten Weg gehen. Es kam alles ganz anders. 

    FundResearch: Alles wurde schlechter als erwartet?

    Hüfner: Man muss sich fragen, warum die Volkswirte so schief lagen. Die Ökonomen werden immer beschimpft, weil sie die Krise 2008/2009 nicht erkannt haben. Diesmal war es nicht in dieser Größenordnung, aber es war ein gewaltiger Irrtum. Die Konjunktur abgestürzt wie selten. In Europa sind wir in die Nähe einer Deflation gekommen. Der Euro ist schwach geworden. Es kam fast zu einer neuen Eurokrise. Wenn alles schlechter läuft als erwartet, hätten die Finanzmärkte eigentlich drauf reagieren müssen. Aber was war? Nichts. Die Finanzmärkte waren über Monate hinweg so wenig volatil wie selten. Der VDAX oder der VIX waren extrem niedrig. Erst in den letzten Wochen hat sich das ein bisschen geändert. 

    FundResearch: Hat sich denn die Lage im Euroraum so entwickelt, wie Sie selbst es erwartet haben?

    Hüfner: Aus volkswirtschaftlicher Sicht hat sich Europa in Teilen richtig modellgerecht entwickelt. So wie wir es uns gewünscht haben und es auch sein muss: Nach dem Einbruch gab es Strukturreformen und es ging wieder bergauf. Das gilt zumindest für Spanien, Portugal, Griechenland und Irland. Auf der anderen Seite hat es sich aber in Staaten wie Italien, Frankreich und auch Deutschland nicht so wie erhofft entwickelt.  Und da das die großen Länder sind, hat das die ganze Währungsunion belastet. 

    FundResearch: Deutschland auch?

    Hüfner: Ja. Deutschland gehört mit zu den Ländern, die keine Reformen umgesetzt haben. Der EZB-Volkswirt Peter Praet sagte vor kurzem in Washington zur Überraschung aller, dass wir in Europa differenzieren müssen zwischen den Reformländern und den Nicht-Reformländern. Und zu letzteren gehöre auch Deutschland. Das hat die Währungsunion belastet und nicht nur dazu geführt, dass wir innerhalb der Union über niedriges Wachstum und teilweise Rezession und niedrige Inflation sprechen, sondern plötzlich auch über Bonitätsrisiken. Die Banken sind nicht mehr bereit, im bisherigen Ausmaß grenzüberschreitende Transaktionen zu tätigen. Das lässt sich an den Target-Salden festmachen. Die sind erst wunderschön gesunken. Von 750 Milliarden auf 460 Milliarden Euro. Und plötzlich stiegen sie zwei Monaten wieder an. Wir wissen noch nicht, ob das nachhaltig ist, aber es würde mich nicht wundern, wenn es sich doch noch ein bisschen verschlechtert. Der Prozess der Stabilisierung im Euroraum ist deutlich unterbrochen. Gleichzeitig ist die Phase der Recovery-Trades – also der Kapitalzuflüsse von beispielsweise Hedgefonds, die von der Besserung im Euroraum profitieren wollten – zum Stillstand gekommen. Das Geld ist abgeflossen, der Euro ist schwach geworden. 

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    Patrick Daum
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    Patrick Daum ist Dipl.-Politologe mit Schwerpunkt für Europa, Wirtschaft und Recht. Als Redakteur bei €uro-Advisor-Services GmbH ist er zuständig für die Top-Themen auf www.fundresearch.de.
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    Verfasst von 2Patrick Daum
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