Erfolgsgeheimnis Katzenvideos

Wie Grumpy Cat und Co. uns vor dem Grexit-Kollaps bewahren

Das Grexit-Drama hat Spuren hinterlassen. In Athen, in Brüssel … aber auch hier bei uns, bei wallstreet:online.

Anfangs ernteten wir von unseren Kollegen noch flotte Sprüche: „Na, heute schon 'ne Motorradspritztour mit Yanis zum Schuldenberg gemacht?“, hieß es zur Begrüßung an der Kaffeemaschine. Mittlerweile ergreifen die meisten die Flucht, wenn ihnen auf den w:o-Fluren ein Redakteur über den Weg läuft – Hilfe, die Grexits kommen!

Uns geht das emotional sehr nahe. Als würde es nicht schon reichen, das schier endlose Griechenland-Drama seit Wochen tagtäglich mitverfolgen zu müssen, gelten wir unter den Kollegen inzwischen als personifizierter Grexit-Virus. Achtung, Ansteckungsgefahr!

Was also tun gegen den Griechenland-Überdruss einerseits und die soziale Ausgrenzung am Arbeitsplatz andererseits? Die Antwort ist verblüffend einfach: Katzenvideos!

Grumpy Cat gegen Griechenland-Überdruss

Klar, dass wir als Redaktion immer im engen Austausch miteinander stehen müssen. Da werden interessante Beiträge weitergeleitet, neue Themenideen entwickelt, Feedback eingeholt usw. Doch in letzter Zeit mischen sich darunter immer wieder auch Links mit vielsagenden Titeln wie „Die 10 süßesten Tierbabys der Welt“ oder „Das passiert, wenn Hundebabys zum ersten Mal auf Katzenbabys treffen.“

Ein niedliches Katzenvideo und schon ist der ganze Griechenland-Stress für einen Moment vergessen. Cat-Content steht bei uns derzeit hoch im Kurs. Und so wie der w:o-Redaktion geht es offenbar auch vielen anderen. Seiten wie Buzzfeed oder Upworthy boomen. Ihr Erfolgsgeheimnis: Viele Klicks, viele Katzenvideos – und noch mehr sprudelnde Werbeeinnahmen. Werbeeinnahmen, die die Erfinder von Buzzfeed und Co. zu Multimillionären machen.

Multimillionär dank süßer Katzenbabys

Scott DeLong ist einer von ihnen. Vor zwei Jahren kam er auf die Idee, lustige Beiträge und süße Tiervideos zu verbreiten. Er gründete die Website Viral Nova. Diese basiert auf dem gleichen Erfolgsprinzip wie Buzzfeed oder Elite Daily: wenig Aufwand bei maximaler Reichweite. Der Content, meist lustige Tiervideos, wird bei Facebook gepostet und dank Menschen wie uns verbreiten sie sich wie ein Lauffeuer. Den Machern der Website gelingt es somit, binnen kurzer Zeit Millionen von Nutzern an Land zu ziehen. Das wiederum lockt Anzeigekunden und das Geld sprudelt.

Doch der Erfolg wurde für DeLong irgendwann zur Belastung. Mitarbeiter oder überhaupt unternehmerische Strukturen gab es nicht. Viral Nova bestand aus einer einzigen Person – ihm selbst. Acht bis zehn Artikel postete er laut „manager-magazin“ pro Tag. Doch schon bald konnte er mit dem Zuwachs an Nutzern und der Nachfrage nach immer mehr Cat-Content nicht mehr Schritt halten. Im Januar 2014 bat er deshalb einen Broker, einen geeigneten Käufer für Viral Nova zu finden.

100 Millionen US-Dollar für Grumpy Cat und Co.

Die Suche gestaltete sich schwieriger als gedacht. Keiner wollte die Website haben. Bereitwillige Risikokapitalgeber standen dagegen Schlange. Also entschied sich DeLong, den Unternehmer Sean Becker mit ins Boot zu holen. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellte. Aus einer einfachen Website wurde ein richtiges Unternehmen, inklusive satten Umsatzes. In diesem Jahr will Viral Nova die Marke von 35 Millionen US-Dollar knacken. Oder besser wollte. Denn Viral Nova wechselte jüngst den Besitzer.

DeLong verkaufte die Website an das Medienunternehmen Zealot Networks. Kaufpreis: Stolze 100 Millionen US-Dollar. Kein schlechter Preis für ein bisschen Cat-Content. DeLong ist dank dieser süßen Tiervideos mittlerweile Multimillionär.

Und offenbar auch ein guter Geschäftsmann. Denn möglicherweise verkaufte er Viral Nova genau auf dem Höhepunkt des Cat-Hypes. Facebook macht den Katzenseiten nämlich zunehmend das Leben schwer.

Facebook als Spielverderber

Anfangs profitierte Facebook von dem Cat-Content, immerhin besserte der erhöhte Traffic auch seine Werbekassen auf. Allerdings werden die süßen seichten Videos langsam aber sicher zum Imageproblem. Facebook will und muss in den Augen der Anzeigenkunden mehr sein als eine niedliche Unterhaltungsplattform. Um die Flut an Cat-Content einzudämmen, änderte Facebook daraufhin seinen Like-Algorithmus. Sehr zum Ärger von Viral Nova um Co., denen plötzlich schmerzlich bewusst wurde, wie abhängig sie von Facebook waren: „Habe eine Million Facebook-Fans. Reichweite der Posts um die Hälfte zurückgegangen. Über Facebook ein Geschäft zu betreiben ist, als eröffne man ein McDonald’s auf einem aktiven Vulkan“, schimpfte DeLong 2014 via Twitter.

Das alles kann ihm jetzt egal sein. Von nun an kann er sich Cat-Content gönnen - ohne gleichzeitig den Druck zu verspüren, damit auch noch Geld verdienen zu müssen. Davon hat er mittlerweile ohnehin genug. Wir dagegen haben noch lange nicht genug. Was, schon wieder eine Meldung aus Griechenland? Oh nein, darauf erst mal ein Katzenvideo ...