Schuldenschnitt-Strategien
Deutschland 1932 – Griechenland 2015
Die Verhandlungsführung, die die Regierung Tsipras im Ringen um das Hilfsprogramm an den Tag legte, erscheint geradezu selbstmörderisch. Noch Anfang des Jahres sah es so aus, als sei das
bedauernswerte Griechenland gerade wieder halbwegs auf die Beine gekommen. Alexis Tsipras und sein damaliger Finanzminister Yanis Varoufakis machten durch ihr kompromissloses Auftreten aber
sämtliche Erfolge wieder zunichte. Das Vertrauen im Inland und Ausland litt so stark unter der Furcht vor einer neuen Staatspleite, dass das Wirtschaftswachstum sofort wieder abriss. Hinzu kam noch
eine handfeste Bankenkrise. Und die erhofften Schuldennachlässe der Gläubiger stellten sich schlussendlich auch nicht ein. All diese fatalen Konsequenzen waren durchaus absehbar, und die
Syriza-Regierung war sich dieser Gefahren auch bewusst. Deshalb stellt sich im Nachhinein die Frage, warum sich Tsipras und Varoufakis überhaupt zu einem derart riskanten Vorgehen
entschlossen.
Manchen Beobachtern war in den Griechenland-Verhandlungen vor allem die deutsche Unnachgiebigkeit ein Dorn im Auge. Bisweilen wurde hämisch darauf hingewiesen, dass auch Deutschland im letzten
Jahrhundert zweimal in den Genuss eines großen Schuldenschnitts gekommen ist – nämlich 1953 im Rahmen der Londoner Schuldenkonferenz und schon zuvor im Jahr 1932 auf der Konferenz von Lausanne. Vor
allem die Entwicklung, die zum großen Schuldenerlass von 1932 führte, ist aufschlussreich. Natürlich unterschieden sich die Lage und die Rahmenbedingungen in der Zwischenkriegszeit in vieler
Hinsicht von der Situation, in der sich Griechenland heute befindet. Es gibt aber einige Parallelen, die reizvoll genug sind, um sie an dieser Stelle einmal auszubreiten.
Das überschuldete Deutsche Reich
Das Deutsche Reich war schon vor dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 massiv verschuldet. Zwar erlebte seine Wirtschaft Mitte der 20er Jahre eine gewisse Blüte. Die dafür nötigen Investitionen
wurden aber überwiegend durch Schuldenaufnahme im Ausland aufgebracht, denn die Geldvermögen der heimischen Investoren waren zuvor in den Inflationsjahren großteils vernichtet worden. Erschwerend
hinzu kamen die gewaltigen Reparationsschulden, die das Reich an die ehemaligen Gegner im Ersten Weltkrieg zu leisten hatte. Die Grundlage für diese zusätzliche Belastung war der
Kriegsschuldartikel 231 aus dem Versailler Vertrag, mit dem sich Deutschland natürlich niemals abfinden konnte. Zwar hatte das Deutsche Reich den Versailler Vertrag 1919 zähneknirschend
unterschrieben. Jeder deutsche Politiker, der etwas auf sich hielt, sah es aber seither als seine Pflicht an, die Reparationsverpflichtungen früher oder später abzuschütteln.