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     4087  1 Kommentar Und jetzt der Weltuntergang?

    Ein ehemaliger Kollege schreibt mir, er werde am Montag alle seine Aktien verkaufen, weil er eine für längere Zeit nicht so günstige Aktienkursentwicklung vorhersehe. Ich wusste gar nicht, dass er so ein Zittriger ist.

     

    Ich schicke ihm als Buchtipp einen Hinweis auf das Buch „Morgen letzter Tag! Ich und Du und der Weltuntergang“ von Christoph Süß, den ich von der Sendung „quer“ her extrem verehre.

     

    Es ist das erste Buch seit Jahren, das ich wirklich gerne zur Hand nehme. Was mich daran besonders begeistert, ist, wie Süß aufzeigt, dass wir eigentlich zwangsläufig immer in paradoxen Situationen landen, wenn wir die Dinge zu Ende denken.

     

    Die Philosophen, mit denen ich mich bevorzugt beschäftigt habe, die Radikalen Konstruktivisten, sagen: Alle unsere Theorien sind nur unsere Konstruktionen. Und wenn wir dabei auf Paradoxien stoßen, zeigt uns das, dass wir in diesem Moment mit unseren Theorien an die Wirklichkeit angestoßen sind.

     

    Süß bringt hierzu wunderbar augenfällige Fälle, die mir vorher gar nicht aufgefallen sind, wie beispielsweise diese hier: Es sei doch recht paradox, ein Buch zu kaufen, dass sich gegen Konsum richtet.

     

    Oder in Hinsicht auf unser Wirtschaftssystem und die Politik, dass heute immer mehr Menschen dafür sind, dass immer mehr Menschen dagegen sind. Oder dass man seine Wut darüber durchaus einmal herauslassen muss, wenn dann aber die Wut herausgelassen ist, auch die Luft raus ist.

     

    Das alles sind Momente, in denen wir an die Wirklichkeit anstoßen. Und bezieht man es auf die Börse, bedeutet das: Würde man alle Kauf- und Verkaufsargumente nachvollziehen, würde man unweigerlich im weißen Rauschen ankommen. Oder bei einem schwarzen Loch. Denn auch schwarze Löcher gibt es wohl in Wirklichkeit nicht, sondern sie weisen eher auf ein Versagen unserer Theorien in einem Bereich hin.

     

    Nicht an die Wirklichkeit anstoßen tun jedoch die ganzen Untergangstheorien. Dennoch: „Schlussendlich“, so Süß in seinem wunderbaren O-Ton, „haben sich noch die meisten Kulturen irgendwann aus der Geschichte verabschiedet. Und warum? Nun, so genau weiß das keiner. Multikausal, sagt man.“

     

    Mehr kann man oft nicht sagen. Meistens sogar.


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Und jetzt der Weltuntergang? Mehr kann man oft nicht sagen. Meistens sogar.