EU-Schiedsgerichte
Schiedsgerichte - Sonderrechte für ausländische Investoren? Aber immer doch!
Erst hü, dann hott? Entgegen öffentlicher Äußerungen von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hält die Bundesregierung an umstrittenen privaten Schiedsgerichten fest. In einem informellen
sogenannten Non-Paper von Anfang April, aus dem die Wochenzeitung "Die Zeit" berichtet, wirbt die Bundesregierung gemeinsam mit Österreichern, Finnen, Franzosen und Niederländern für den Erhalt
privater Schiedsgerichte in der EU.
Vor solchen nicht öffentlichen Schiedsgerichten können ausländische Investoren Staaten auf Schadenersatz verklagen. Sie arbeiten meist auf der Grundlage von internationalen Abkommen, ihre
Entscheidungen sind jedoch zunehmend umstritten. So können zum Beispiel Investoren Staaten oder Kommunen wegen ausbleibender Gewinne aufgrund von Gesetzesänderungen auf Schadensersatz
verklagen. In diesen nicht öffentlichen Schiedsverfahren entscheiden drei Anwälte nicht selten über Milliarden-Summen. Ein Widerspruch ist ausgeschlossen. Kritiker sprechen daher von einem
„Parallelrecht“, welches der Öffentlichkeit zumeist verborgen bleibt. Aufgrund der Intransparenz hatte der Wirtschaftsminister in der Vergangenheit öffentlich dafür geworben, die
Schiedsgerichte in neueren Handelsverträgen durch einen internationalen Gerichtshof zu ersetzen.
EU-Schiedsgerichte - Weniger, statt mehr Transparenz
In dem Papier plädieren die fünf Regierungen nun jedoch dafür, dass alle EU-Mitgliedsstaaten untereinander ein neues Schutzabkommen abschließen, durch das Investoren auch in innereuropäischen
Streitfällen weiter auf die privaten Schiedsrichter zurückgreifen können, die auf der Liste des Permanent Court of Arbitration in Den Haag stehen. Der neue Vorstoß konterkariert nicht nur die
offizielle Linie, die ja gerade das Ende dieser privaten Schiedsgerichtsbarkeit propagiert. Er untergräbt auch die Politik der EU-Kommission. Denn die fordert zwar in internationalen Abkommen
Schiedsgerichte, will ihnen aber bei Konflikten innerhalb der EU die Zuständigkeit entziehen.
„Es ist ein Skandal: Ob in TTIP, Ceta oder nun auch innerhalb der EU – immer wieder drängt die Bundesregierung auf Sonderrechte für ausländische Investoren“, sagt Peter Fuchs von Powershift, einer
Organisation, die die gegenwärtige globale Handelspolitik kritisch beobachtet. Fuchs fordert die sofortige, ersatzlose Kündigung dieser Verträge. Genau dafür hatte auch die EU-Kommission in den
vergangenen Monaten bei den Regierungen geworben.
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Bereits 1959 habe die Bundesrepublik den völkervertraglichen Investitionsschutz durch solche Klauseln vorangetrieben, berichtet „Legal Tribune Online“. Die Autoren sprechen
deshalb von einem „Bumerangeffekt“, da in den letzten Jahren zunehmend Industrienationen wie Deutschland vor den Schiedsgerichten verklagt wurden. Die derzeit bekanntesten Fälle solcher Klagen
stammen allesamt aus dem Jahr 2011: Der Energiekonzern Vattenfall verklagt Deutschland auf Schadensersatz, der Marlboro-Hersteller Phillip Morris Australien und Uruguay, der Gaskonzern
Lone Pine den kanadischen Staat, berichtet „Politik im
Spiegel“. Die speziellen Gründe sind verschieden: Mal geht es um den Atomausstieg (Vattenfall), mal um Ekelbilder auf Zigarettenpackungen (Phillip Morris) und dann um das Verbot von Fracking in
der kanadischen Provinz Quebec (Lone Pine). Doch ihnen gleich ist, dass Konzerne den Gaststaat wegen internationaler Investitionsabkommen auf Schadensersatz verklagen. Demokratische
Entscheidungsprozesse des Landes, der Mehrheitswillen der jeweiligen Bevölkerung spielen keine Rolle, kritisiert Pia Eberhardt in ihrem Artikel "Konzerne versus Staaten: Mit Schiedsgerichten gegen die Demokratie".