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    Börsen-Zeitung: Scheitern 5.0, Kommentar zur geplanten Börsenfusion

    von Claus Döring

    Frankfurt (ots) - Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter muss sein

    Vokabular erweitern. "Das Wort scheitern will ich nicht benutzen",

    sagte er noch vorigen Sommer mit Blick auf die absehbaren

    Fusionshürden beim geplanten Zusammenschluss von Deutsche Börse AG

    und London Stock Exchange (LSE). Nun ist das Scheitern der Fusion zum

    Greifen nah, auch wenn in den offiziellen Erklärungen noch auf den

    Fortgang der behördlichen Prüfungen verwiesen wird. Alles andere wäre

    jedenfalls eine große Überraschung, nachdem die LSE am Sonntagabend

    für alle unerwartet die Reißleine gezogen hat. Denn bis dahin war man

    beim Merger-Partner Deutsche Börse davon ausgegangen, dass der von

    Brüssel erwünschte MTS-Verkauf durch die LSE zu den erfüllbaren

    Wettbewerbsauflagen gehöre und der Fusionspartner dies am gestrigen

    Montag mitteilen würde. Denn in den für die EU-Kommission wie auch

    die Fusionspartner wirklich kritischen Fragen war man nach bisheriger

    Lesart gut vorangekommen.

    Ob Kengeter das Scheitern der Fusion auch als persönliches

    Scheitern als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Börse betrachtet,

    deren mit Abstand wichtigstes, aber nicht einziges Projekt damit vor

    dem Aus steht, wird die Diskussion der nächsten Wochen bestimmen.

    Befragt nach seinem Plan B für den Fall des Scheiterns der Fusion,

    antwortete Kengeter vor zehn Tagen bei der Jahrespressekonferenz, er

    kenne nur einen Plan A, nämlich A wie "Accelerate". Er räumte aber

    ein, dass die Börsenfusion ein wichtiger Bestandteil dieses Plans

    sei. Denn mit der Fusion hätte die Deutsche Börse auf einen Schlag

    erreicht, was im Alleingang nur langsam möglich ist.

    Dass die Welt nach dem Platzen der angestrebten Fusion für die

    Börsenlandschaft eine völlig andere sein werde, daran hat Kengeter

    nie einen Zweifel gelassen. Die Welt wird aber auch für ihn

    persönlich eine völlig andere werden. An der Spitze des Frankfurter

    Marktbetreibers braucht es künftig keinen Dealmaker, sondern einen

    Strategen, der die vorhandenen Stärken erkennt und ausbaut und die

    Deutsche Börse vor allem aus sich heraus weiterentwickelt. Das gilt

    nicht zuletzt für die technologische Plattform, denn ein

    Börsenbetreiber ist in erster Linie ein IT-Unternehmen.

    Deshalb dürfte absehbar wieder das Thema von Kooperationen in den

    Vordergrund rücken. Denn ein abermaliger Fusionsanlauf seitens der

    Deutschen Börse, um die Konsolidierung der weltweiten

    Börsenlandschaft mitzugestalten, wird künftig noch schwieriger, wenn

    nicht unmöglich. Zu lang ist inzwischen die Liste der mit großen

    Hoffnungen gestarteten, am Ende aber fehlgeschlagenen Übernahme- und

    Fusionsversuche - dreimal London, einmal Euronext, einmal Nyse. Mit

    dem Schlagwort "Börse 4.0" hat Kengeter zumindest den Eindruck

    erweckt, als sähe er für sich und die Deutsche Börse auch bei

    geplatztem Deal noch genügend Entwicklungspotenzial.

    Dass die LSE, die nicht ohne Grund nun ihre Stärke auf

    Stand-alone-Basis betont, in der weltweiten Konsolidierung schon bald

    das nächste Übernahmeziel der großen amerikanischen Börsenbetreiber

    sein könnte, pfeifen die Spatzen nicht nur in London von den Dächern.

    Schließlich waren LSE und Deutsche Börse vor einem Jahr einem Gebot

    der amerikanischen ICE für London nur knapp zuvorgekommen. Die

    Entwicklungsperspektiven der LSE sind mit dem Brexit eingeschränkt,

    und wie man jetzt sieht, auch die politischen Handlungsmöglichkeiten.

    Offensichtlich sah die LSE-Führung keine Chance, in der Sitzfrage die

    von Frankfurt erwarteten Zugeständnisse machen zu können, nicht

    einmal für einen Doppelsitz der rechtlichen Holding. Nun wird man in

    London lernen müssen, dass auch "Kronjuwelen" wie die LSE kein Wert

    an sich sind, sondern von der Wertschätzung Dritter abhängen. Eine

    solche Wertschätzung, wie sie im Fusionsvertrag zwischen Deutscher

    Börse und LSE zum Ausdruck kam und kommt, wird man in London nach dem

    Brexit nicht mehr finden. LSE-Chef Xavier Rolet wird sich für seine

    Aktionäre, die dem Fusionsplan mit 99 Prozent zugestimmt hatten, eine

    bessere Begründung einfallen lassen müssen als Amore-Rufe Richtung

    Italien wie in der Mitteilung vom Sonntagabend.

    In Wiesbaden werden die Sektkorken geknallt haben - unabhängig vom

    Rosenmontag. Denn die Rolle des Spielverderbers im Börsenmonopoly

    bleibt der hessischen Börsenaufsicht und dem Wirtschaftsministerium

    des Landes nach Lage der Dinge erspart, da vorher die Bedingungen der

    EU-Kommission nicht erfüllt werden. Insofern hat Wirtschaftsminister

    Tarek Al-Wazir alles richtig gemacht, als er sich als Aufseher zur

    Sache selbst mit Hinweis auf die noch ausstehenden Prüfungen bedeckt

    hielt, die politische Problematik eines Holdingsitzes in London nach

    der Brexit-Entscheidung aber von Mitgliedern der Landesregierung und

    anderen Institutionen klar kommuniziert wurde.

    Es wird Carsten Kengeter, der als designierter CEO der

    europäischen Superbörse am meisten zu verlieren hat, nicht trösten,

    ihm aber vielleicht als Börse-Vorstandsvorsitzenden den Rücken

    stärken: Im Konsolidierungskampf der großen Börsenbetreiber ist die

    Deutsche Börse nicht in der Opferrolle. Eine feindliche Übernahme ist

    dank der Wiesbadener Aufsicht de facto nicht möglich. Und eine

    freundliche Übernahme oder Fusion nur zu Bedingungen, die sowohl dem

    Börsenbetreiber Deutsche Börse als auch dem Finanzplatz nutzen. Der

    größte Börsenbetreiber Europas kann ohne Hektik und Existenznot

    darauf setzen, dass nach dem Scheitern 5.0 eine Chance 6.0 kommt.

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    Börsen-Zeitung

    Redaktion

    Telefon: 069--2732-0

    www.boersen-zeitung.de





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