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    Marktkommentar  137  0 Kommentare Bruno Cavalier (ODDO BHF): Wirtschaftsaussichten

    Wirtschaftsaussichten – eine bittersüße Mischung (mit Betonung auf „bitter“)

    13.09.2023 -

    WESENTLICHE PUNKTE:

    • Die wirtschaftliche Entwicklung verlief von Region zu Region unterschiedlich in diesem Sommer.
    • In den USA ist die Konsumentenlaune weiter robust – in Europa und China dagegen schwächelt sie.
    • Europa steht erneut am Rande einer Rezession. Der Immobiliensektor steht unter Druck.
    • Die hohe Inflation lässt zwar nach, doch können die Zentralbanken noch keinen Erfolg verbuchen.
    • Eine Leitzinssenkung ist auch in mehreren Monaten noch nicht in Sicht.

     

     

    Im Sommer ist die Konjunkturentwicklung in den einzelnen Weltregionen durchwachsen ausgefallen. Beflügelt durch die Konsumfreude der Verbraucher bleiben die USA auf Kurs für eine weiche Landung. Die Anspannung am Arbeitsmarkt lässt allmählich nach. Die Turbulenzen im Bankensektor, die im März für viel Unruhe gesorgt hatten, haben sich offenbar gelegt. Die Rezessionsgefahr ist zwar noch nicht ganz gebannt, wird aber als geringer eingestuft als noch vor einigen Monaten.

    In Europa dagegen werden die Haushaltseinkommen durch die Inflation stärker belastet. Das Geschäftsklima hat sich in den letzten drei Monaten deutlich verschlechtert. Dies trifft auf alle Länder zu, jedoch insbesondere auf Deutschland, und auf sämtliche Sektoren, denn selbst der bislang noch widerstandsfähige Dienstleistungssektor schwächelt. Nach der Konjunkturerholung im Anschluss an die Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen hat sich das Bild in China nun eingetrübt. Die Haushalte und Unternehmen demonstrieren mit ihrer eingeschränkten Ausgabefreudigkeit ihr mangelndes Vertrauen in die Fähigkeit der chinesischen Regierung zur Unterstützung der Wirtschaft und zur Lösung der Probleme im Wohnungsbausektor. Die Aussichten für das globale Wachstum werden daher von Abwärtsrisiken überschattet.

    In Bezug auf die Inflation lässt der Schock zwar nach, aber es ist ein langsamer Prozess mit möglichen Rückschlägen. Der Anstieg der Erzeugerpreise, der auf seinem Rekordhoch im Frühjahr 2022 bei fast 20% pro Jahr lag, ist zuletzt auf globaler Ebene auf null gesunken. Die jüngste Verteuerung der Rohölpreise infolge der Produktionskürzungen der OPEC wirkt jedoch als erschwerender Faktor. Zudem verlaufen die Inflations- und Desinflationswellen nicht synchron. Während die Preise für Waren fast wieder zu einem normalen Level wie zu Vor-Covid-Zeiten zurückgekehrt sind, ist dies bei den Preisen für Dienstleistungen und bei den Löhnen bei weitem nicht der Fall. Insgesamt ist die globale Inflation von ihrem Höchststand von fast 10% letzten Herbst auf knapp unter 6% im Sommer gesunken.

    Trotz eindeutiger Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung liegen die Inflationsraten in den Industrieländern immer noch deutlich über der Zielmarke von 2%, mit Ausnahme von China, das am Rande einer Deflation steht (Grafik). Die Zentralbanken hüten sich, den Sieg zu verkünden. Die Fed und die EZB fahren weiter einen restriktiven Kurs und wollen verhindern, dass sich die Anleger allmählich auf eine unmittelbar bevorstehende Lockerung der Geldpolitik einstellen. Die Leitzinsen werden auf hohem Niveau gehalten, und aufgrund des zeitverzögerten Transmissionsmechanismus auf die Realwirtschaft wird es zu einer Intensivierung der restriktiven Folgen für die Nachfrage kommen. Als erstes bekommt das Baugewerbe die Auswirkungen der steigenden Zinsen und der Kreditverknappung zu spüren. Bevor eine Zinssenkung auf den Tisch kommt, müsste sich die Konjunkturdynamik unter dem Potenzialwachstum einpendeln – vor allem aber müsste sich die Inflation sehr stark an die Zielmarke annähern. Dies wird noch einige Monate oder gar Quartale dauern. Vor Mitte 2024 ist eine Lockerung der Geldpolitik unseres Erachtens nicht zu erwarten.

    Die Inflation bewirkt einen Ressourcentransfer zwischen Wirtschaftssubjekten, aus dem Gewinner und Verlierer hervorgehen. Seit zwei Jahren sind die Verbraucher die großen Verlierer, da sie reale Einkommenseinbußen verkraften müssen. Die Anpassung der Löhne an die Preise erfolgte langsam und ist noch unvollständig, vor allem in Europa.

    Logischerweise dürfte die Deflation in die andere Richtung wirken und den Konsumenten wieder Kaufkraft verschaffen. Zwischenzeitlich haben sich andere Bestimmungsfaktoren des Konsums jedoch verändert: Zum einen signalisieren die immer noch soliden Arbeitsmarktbedingungen eine einsetzende Abschwächung. Zum anderen haben sich die höheren Zinsen die Kreditkosten extrem erhöht. Auch hat die expansive Haushaltspolitik der Regierungen während der Pandemie und der darauffolgenden Energiekrise im letzten Jahr ein Ende gefunden. Die privaten Haushalte können zwar noch auf ihren „Covid-Sparstrumpf“ zurückgreifen, doch ist diese Reserve bereits weitestgehend erschöpft, Schätzungen zufolge in den USA bereits Anfang 2024 vollständig.

    Anders als für die privaten Haushalte gingen die Unternehmen als Gewinner aus dem Inflationsschock hervor. Gegen Ende der Pandemie verzeichneten verschiedene Sektoren einen Nachfrageüberhang – mit der Folge von Material- und Personalmängeln. Das Umfeld war günstig, um die Verkaufspreise über die gestiegenen Produktionskosten hinaus zu erhöhen. In einer Phase der Desinflation geraten die Gewinnspannen der Unternehmen jedoch stärker unter Druck, was sie wiederum zu einer Drosselung ihrer Ausgaben für Personaleinstellungen und Investitionen zwingen könnte.

    Auch für die Regierungen werden die Karten durch die Deflation neu gemischt. Zwei Jahre ließ das starke nominale Wachstum die Kennzahlen der Staatsfinanzen schön aussehen. Daher hatten die Investoren die Entwicklung der Verschuldung nicht wirklich auf dem Radar. Die Situation stellt sich mittlerweile jedoch völlig anders dar: Die Abwärtsrisiken für die Konjunktur und die Deflation werden die Einnahmen belasten, während gestiegene Refinanzierungssätze den Schuldendienst erhöhen. In Europa erstellen die Regierungen ihre Haushaltsentwürfe für 2024 und müssen den Gürtel enger schnallen. In den USA wird 2024 gewählt – kein günstiger Zeitpunkt für Konsolidierungsanstrengungen. Dies könnte vielmehr die Überhitzung verlängern und den Rückgang der Inflation verzögern.





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