Aufkäufe von Staatsanleihen
Streit über Rolle der EZB in der Schuldenkrise
Deutsche Top-Ökonomen streiten über Rolle der EZB: So fordert Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Mayer unbegrenzte Aufkäufe. Für den Wirtschaftsweisen Franz seien Aufkäufe eine Todsünde. Ifo-Chef Sinn sieht die Ersparnisse der Deutschen gefährdet.
Unter deutschen Top-Ökonomen ist ein Streit über die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) als den letzten Retter für Italien entbrannt. „Bevor das Finanzsystem kollabiert, ist es besser, wenn
die EZB unbegrenzt italienische Staatsanleihen aufkauft“, sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger gegenüber der „Welt am Sonntag“. Auch der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, spricht
sich in der Zeitung unter bestimmten Bedingungen für unbegrenzte Aufkäufe aus.
Mayer fordert, die Italiener sollten ein Äquivalent zur deutschen Agenda 2010, eine Agenda 2020, entwickeln. „Wenn Italien diesen Zehnjahresplan auf den Weg gebracht hat, sollte die EZB ankündigen,
alles dafür zu tun, die Zinsen für die Schuldenaufnahme des Landes nicht mehr über fünf Prozent steigen zu lassen“, sagt Mayer. Damit würde sich die Lage auf den Finanzmärkten schnell beruhigen und
die EZB müsse gar nicht in großem Stil Anleihen aufkaufen, weil Investoren selbst wieder dem Staat Geld leihen würden. Mayer räumt ein, dass der Erfolg seines Plans nicht garantiert sei. „Ich weiß
nur, dass die bisherige Strategie des Durchwurstelns nicht erfolgreich war“, sagt Mayer.
Der Chef des Sachverständigenrats, Wolfang Franz, spricht sich dagegen entschieden gegen weitere Aufkäufe italienischer Staatsanleihen aus. „Italien kann und muss sich selber helfen“, sagt Franz.
„Die EZB ist auf eine schiefe Bahn geraten. Die Monetarisierung der Staatsschulden gehört zu den Todsünden einer Zentralbank.“
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Auch in der Bundesregierung ist man besorgt, dass die EZB den Schritt wagen könnte, Italien mit noch viel größeren Summen zu stützen. „Wir müssen alles unternehmen, um der EZB die Möglichkeit zu
schaffen, sich auf ihre eigentliche Aufgabe – den Erhalt der Geldwertstabilität – zu konzentrieren“, sagt Michael Meister, ein stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag.
Allerdings denken laut Regierungskreisen nicht alle in Europa so. „Die Südeuropäer haben eine Lösung parat, die sie immer wieder vorbringen: die Notenbank“, sagt ein hochrangiger Politiker der
schwarz-gelben Koalition.
Nach Ansicht von Ökonomen ist die EZB schon jetzt dabei, ihrem amerikanischen Pendant, der Federal Reserve, immer ähnlicher zu werden. „Das ursprüngliche Konzept der EZB tritt immer mehr in den
Hintergrund“, sagt Clemens Fuest, ein in Oxford lehrender Finanzwissenschaftler. „Sie entwickelt sich in Richtung einer European Federal Reserve, die als Retter in letzter Not eingreift.“ Auch Hans
Reckers, bis 2009 Bundesbank-Vorstand und heute Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken, sagt, dass sich das Mandat der EZB „de facto erweitert hat. Neben Preisstabilität hat sie die
Funktion eines Nothelfers übernommen.“
Ifo-Chef Hans-Werner Sinn warnt unterdessen, dass im Falle einer Pleite Italiens die deutschen Ersparnisse gefährdet seien. „Müssten wir die gesamten Schulden der fünf Krisenländer anteilig
besichern, läge das Risiko bei mehr als 1,6 Billionen Euro“, warnt der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn. „Damit stünde die gesamte deutsche Ersparnis, die unter dem Euro
angesammelt wurde, auf dem Spiel.“
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