Entfremdung
Wie weit kann sich die Finanzindustrie von der Realwirtschaft entfernen?
Täglich halten mehrere Billionen Dollar, die um die Welt kreisen, das internationale Finanzsystem liquide und damit aufrecht. Nur ein Bruchteil dieser gigantischen Volumina wird in der
Realwirtschaft für den Waren- und Dienstleistungsverkehr benötigt. Wie das Blut im menschlichen Organismus hält die Liquidität die Volkswirtschaften aufrecht. Ebbt dieser Strom ab – also werden
Regionen minderversorgt mit Liquidität – bedeutet dies ihren wirtschaftlichen Niedergang mit entsprechenden Folgen für die Wirtschaft und den Menschen vor Ort.
Mittlerweile ist festzustellen, dass der traditionelle Bezug von der Finanzindustrie zur Realwirtschaft kaum noch vorhanden ist. Finanzprodukte sind selbst zu einem Produkt geworden und oftmals
soweit derivativ von der Realwirtschaft entfernt, dass ein Zusammenhang kaum noch feststellbar ist. So werden beispielsweise Wetten über fast beliebig zusammengesetzte Indizes (z.T. reine
statistische Produkte) verkauft und sogar Derivate auf diese Wettscheine der beliebig zusammengesetzten Indizes (Hedgefondsprodukte) ebenfalls verkauft. Bei jedem dieser Verkäufe entsteht ein
Provisionsanspruch innerhalb der Finanzindustrie, welcher den Beschäftigten dort gigantische Provisionseinkommen beschert, welche in der Realwirtschaft nicht erzielt werden können. Die
Finanzindustrie verdient also an einem Umsatz, den sie nicht nur selbst kreiert, sondern zusätzlich bis an die Grenze der Möglichkeiten aufbläst.
Besondere Hektik kommt in der Finanzindustrie dann auf, wenn äußere Umstände wie z.B. eine Griechenlandpleite, ein Bankenzusammenbruch o.ä. die Finanzblase anzustechen drohen und das bis an die
Grenze des Machbaren aufgeblähte Finanzspiel einzustürzen droht. Sofort wird dann nach dem Staat und den Steuerzahlern gerufen, die mit ihren mickrigen Erträgen aus der Realwirtschaft dieses
Finanzkasino am Laufen halten sollen. Das ist einer der Hintergründe für die Hysterie, welche um einen möglichen Austritt Griechenlands aus dem Euro stattfindet. Weil sich die Investoren bereits
lange auf den Konkurs Griechenlands vorbereiten konnten, dürften dort keine überraschenden Verluste mehr auftauchen, wie es Presse und Politik uns „weiß zu machen“ versuchen. Die Bürger Europas
würden dagegen von einem Euroaustritt Griechenlands gewinnen, wenn damit eine Rückkehr zur Geldwertstabilitätspolitik der EZB verbunden wäre.
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