Hüfners Wochenkommentar
"Jetzt die Inflation?" - Seite 2
Viertens: Der Anstieg der Inflation in den 70er Jahren beruhte nicht auf Liquidität und Staatsverschuldung, sondern auf politischen Spannungen und dadurch bedingten Rohstoffpreissteigerungen. Im Oktober 1973 begann der Yom-Kippur-Krieg, dann kamen die großen Ölpreiskrisen. Die Parallelen zu heute sind offensichtlich. Es gibt erhebliche Spannungen in vielen Regionen der Welt. Das kann die Geldentwertung deutlich über das jetzige Niveau treiben.
Fünftens: Viele zweifeln, ob die Zentralbanken politisch in der Lage wären, wirklich gegen Inflationserwartungen vorzugehen. Das Brechen von Inflationserwartungen erfordert in der Tat Mut zu unpopulären Maßnahmen. Die Geschichte zeigt, dass es das tatsächlich gibt. Man muss hier nicht nur auf die Deutsche Bundesbank schauen. In den USA gab es den Notenbankpräsidenten Paul Volcker, der Ende der 70er Jahre eine ungewöhnlich restriktive Politik durchsetzte und damit die Inflationserwartungen brach. Er hob die kurzfristigen Zinsen trotz schwacher Konjunktur bis auf zweistellige Höhe an. Man kann also Liquidität einsammeln, wenn man nur will und die damit verbundenen Schmerzen in Kauf nimmt.
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Sechstens: Man sagt immer, die Staatsverschuldung könne nur durch Inflation abgebaut werden. In der Tat gibt es dafür viele historische Beispiele. Es ist aber nicht zwangsläufig. In den USA ist es gelungen, den Anteil der Staatsverschuldung am Bruttoinlandsprodukt von 1945 bis 1995 von fast 120 Prozent auf unter 40 Prozent zu reduzieren, ohne dass es zu einer großen Inflation kam. Entscheidend war, dass die Zinsen, zu denen der Staat Geld aufnahm, nicht höher als die Geldentwertung waren. Das ist die sogenannte "Repression Economics", an die auch heute wieder gedacht wird. Für den Anleger bedeutet das freilich auch einen Kapitalverlust.
Für den Anleger
Kurzfristig erleben wird derzeit wegen höherer Öl- und Nahrungsmittelpreise eine leichte Beschleunigung der Geldentwertung. Sie ist ärgerlich, insgesamt aber noch erträglich. Mittelfristig wird es durch die jüngsten Maßnahmen der EZB (und auch der Federal Reserve) gefährlicher. Dies auch wegen der weltweiten politischen Spannungen, die die Rohstoffmärkte anheizen können. Als zündender Funke für eine größere Inflation fehlt nur noch eine gute Konjunktur. Sie ist bisher nicht erkennbar, wird sich aber irgendwann einstellen. Spätestens dann muss die Geldpolitik umschalten.
Langfristig gibt es vor allem in den USA Tendenzen, das Stabilitätsziel wegen der "Repression Economics" nicht mehr so eng zu definieren. Der Internationale Währungsfonds plädiert eher für 4 Prozent bis 6 Prozent Preissteigerung pro Jahr als für 2 Prozent. Die EZB kann sich solchen Tendenzen sicher nicht ganz entziehen. Bleiben Sie bei langfristigen Anlagen also auf der Hut.
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©19. September 2012 /Martin Hüfner
Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank.
In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die
Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. "Europa Die Macht von Morgen" und "Comeback für
Deutschland"