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    Meinung  6256  5 Kommentare Bankenunion – widersprüchliche Aussagen und rechtliche Zweifel

    Die Finanzminister der Euro-Zone haben sich in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag auf einen rechtlichen Rahmen und die Grundzüge für einen gemeinsamen Aufsichtsmechanismus geeinigt. Informationen aus mehreren Quellen liegen vor. Die Bundeskanzlerin hat gestern im Rahmen ihrer Regierungserklärung Stellung genommen, die Bundesregierung hat auf ihrer Internetseite Einzelheiten mitgeteilt und auch die Finanzminister der Euro-Zone (ECOFIN) haben sich in einer Pressemitteilung geäußert. Es gibt inhaltliche Diskrepanzen.
     
    Frau Merkel spricht davon, dass der rechtliche Rahmen in den kommenden Monaten umgesetzt werden muss, damit die Bankenaufsicht ihre Arbeit am 1. März 2014 aufnehmen kann. Die Finanzminister sprechen davon, dass man sich möglichst bis zum 1. Januar 2013 auf die rechtlichen Rahmenbedingungen einigen müsse, und deuten an, dass die Aufsicht die Arbeit im Laufe von 2013 aufnehmen könne. Auf der Homepage der Bundesregierung wird Herr Schäuble damit zitiert, dass die Bankenaufsicht „am 1. März 2014 ihre Arbeit aufnehmen“ soll. 
     
    Der Starttermin ist besonders wichtig. Die gemeinsame Aufsicht ist Voraussetzung für die Rekapitalisierung notleidender Kreditinstitute durch den ESM. Dies hatten die Staats- und Regierungschefs im Juni beschlossen. Doch genügte bislang nach der Ansicht der Bundesregierung nicht jede Art von Aufsicht. Vielmehr hat sie besonderen Wert darauf gelegt, dass es sich um eine wirksame – eine arbeitsfähige – Aufsicht handelt. Das gibt auch der Wortlaut der Presseerklärung der Finanzminister her, nach der ein „wirksamer einheitlicher Aufsichtsmechanismus“ etabliert werden müsse. Es können Jahre vergehen, bis eine solch wirksame Aufsichtsbehörde eingerichtet ist. Die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat zehn Jahre seit ihrer Gründung 2002 gebraucht, um einigermaßen Akzeptanz zu finden.
     
    Dem widerspricht, dass ein gewöhnlich gut informierter europäischer Nachrichtendienst berichtet, dass eine direkte Bankenrekapitalisierung durch den Euro-Rettungsschirm ESM in Einzelfällen nach Angaben von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auch schon 2013 möglich sei. Schäuble erklärte, "Voraussetzung für eine solche Einzelfall-Hilfe ist ein einstimmiger Beschluss im ESM, der im Falle Deutschlands eine vorherige Befassung im Bundestag vorsieht". Es ist völlig ausgeschlossen, dass eine „wirksame“ Aufsicht schon im Laufe des Jahres 2013 operieren kann. Der Zeitrahmen ist ungeachtet aller rechtlichen und politischen Unwägbarkeiten schon praktisch zu kurz bemessen. Schließlich muss die Aufsicht zunächst Personal rekrutieren. Da sie sich die Arbeit mit nationalen Aufsichtsbehörden im Verhältnis 30:70 oder 40:60 teilen soll, ist ihr Personalbedarf nach informierten Quellen zwischen 200 und 400 Leuten zu schätzen.
     
    Widersprüchlich sind auch die Aussagen zu dem meinen Lesern schon bekannten Problem der Brandmauern beziehungsweise der Letztentscheidungsbefugnis. Eine Aufsicht „innerhalb der EZB“ (so ausdrücklich die Pressemitteilung von ECOFIN)  statt „bei der EZB“ (Behauptung Bundesregierung) ist rechtlich grenzwertig, da der Rat der EZB geldpolitische Entscheidungen treffen muss. Wenn der EZB-Rat Letztentscheider über die Aufsichtsaufgaben ist, so entsteht ein ganzes Bündel von Problemen, angefangen von dem Problem des Rechtsschutzes gegen beispielsweise einen Entzug der Banklizenz, über die Vermischung mit geldpolitischen Interessen bis hin zur fehlenden demokratischen Kontrolle (vgl. dazu auch den schönen Kommentar von Holger Steltzner). Nicht umsonst spricht Herr Schäuble auf der Seite der Bundesregierung davon, man habe „sichergestellt, dass der Rat nicht das Letztentscheidungsrecht hat". Ausweislich der englischen Pressemitteilung des ECOFIN, die sich im Text von der deutschen Übersetzung unterscheidet, bereitet das in der EZB eingerichtete Aufsichtsgremium die Entscheidungen nur vor („preparation of supervisory tasks“). Diese vorbereitete Entscheidung gilt als gefasst, „wenn sie vom Rat der EZB nicht abgelehnt“ wird. Wenn der EZB-Rat Entscheidungen des Aufsichtsgremiums jederzeit verwerfen kann, dann steht für mich fest, dass das Letztentscheidungsrecht bei dem Gremium liegt, das geldpolitisch verantwortlich ist, nämlich dem EZB-Rat. Es gibt definitiv keine „klare Trennung von geldpolitischer Verantwortung und Aufsicht“, wie die Bundeskanzlerin in ihrer Rede behauptet.
     
    Da verwundert es nicht, wenn die Aussagen auch hinsichtlich der Art und Zahl der beaufsichtigten Kreditinstitute auseinanderfallen. Mitnichten werden nur die „systemrelevanten Banken“, das sollen die mit einer Bilanzsumme größer als 30 Milliarden Euro oder einem Anteil von mehr als 20 Prozent am BIP des Heimatlandes sein, betroffen sein. Beaufsichtigt werden alle Banken, da sich nur so das Eintrittsrecht der EZB als Aufsichtsbehörde im indizienbegründeten Problemfall herleiten lässt. Damit werden die nationalen Aufsichtsbehörden zu Handlangern und Platzhaltern der EZB, die zukünftig die Super-Aufsicht über alle Banken im Euro-Raum führen wird. Daraus entsteht natürlich das weitere Problem, dass wir eine Behördenhierarchie zwischen der europäischen und nationalstaatlichen Ebene einrichten. Ich kenne dafür kein Vorbild und habe meine ausgeprägten Zweifel, ob dies verfassungsgemäß ist. Rechtliche Zweifel gibt es auch an der Tragfähigkeit der Rechtsgrundlage, auf der die Super-Aufsicht eingerichtet wird. Nach Art 127 Abs. 6 AEUV können besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute zugewiesen werden. Die Finanzminister haben sich darauf verständigt, alle für die Bankenaufsicht wesentlichen Aufgaben, nicht nur die besonderen oder die im Zusammenhang mit der Aufsicht, zu übertragen. Der Wortlaut gibt das Tun der Finanzmister und der Staats- und Regierungschefs nicht her.
     
    Wir bekommen also weder die „Brandmauer“ zwischen Geldpolitik und Aufsicht noch wird eine „wirksame“ Aufsicht errichtet. Das zeigt, dass die Einrichtung einer europäischen Bankenaufsicht nicht das Ziel, sondern Mittel zum Zweck ist. Das eigentliche Ziel ist, dass Banken durch den ESM direkt rekapitalisiert werden können. Es geht darum, die Tür für die lateineuropäischen Banken zu öffnen, damit sie an die gut gefüllten Töpfe der deutschen Einlagensicherung herankommen – und damit an die Vermögen der deutschen Sparer. Zusätzlich wird der ESM zu einem europäischen Bankenrettungsfonds umgewidmet. Er sichert nicht mehr die Finanzstabilität der Währung, sondern soll Bankinsolvenzen verhindern und wird so Zombiebanken schaffen. Nach meiner Überzeugung muss dies im rechtlichen und wirtschaftlichen Desaster enden. In „Europa“ regiert weiterhin nicht das Recht, sondern die Macht. Die Eurokrise werden wir so nicht überwinden, sondern vertiefen.
     




    Frank Schäffler
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    Frank Schäffler (FDP) ist als klassischer Liberaler ein Kritiker der Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung und des geldpolitischen Kurses der EZB. Der Autor veröffentlicht wöchentlich seinen Weblog, den man hier auf seiner Homepage anfordern kann.
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    Verfasst von 2Frank Schäffler
    Meinung Bankenunion – widersprüchliche Aussagen und rechtliche Zweifel Die Einrichtung einer europäischen Bankenaufsicht ist nicht das Ziel, sondern Mittel zum Zweck. Wir bekommen also weder die "Brandmauer" zwischen Geldpolitik und Aufsicht noch wird eine "wirksame" Aufsicht errichtet.

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