Tankermarkt
Indien – ein Beispiel für gute Aussichten
Wie Benzinpreise entstehen, ist für viele ein Mysterium – und nun sogar Gegenstand von Untersuchungen der EU-Wettbewerbshüter. Die EU-Kommission führte im Mai bei mehreren großen Ölkonzernen
Razzien durch; der Vorwurf: illegale Beeinflussung der Preise wichtiger Ölprodukte. Gerade zu Feiertagen und rechtzeitig zum Ferienbeginn scheinen die Spritpreise überall an den Zapfsäulen zu
steigen, und regelmäßig ist dies Anlass zu Spekulationen über unlautere Preisabsprachen. Immerhin dominieren laut Süddeutscher Zeitung fünf Ölkonzerne (BP, ExxonMobil, Shell, Total und
ConocoPhillips) das deutsche Tankstellennetz.
Sollten die europäischen Kartellbehörden den großen Mineralölfirmen tatsächlich Manipulationen der Öl- und Produktenpreise nachweisen, könnten Strafen bis zu zehn Prozent des weltweiten
Konzernumsatzes fällig werden. Aber noch ist nichts belegt. Die Untersuchungen laufen, vielleicht noch Jahre.
Welchen Einfluss Preisabsprachen auf die Ölnachfrage, und damit auch auf zu transportierende Ölmengen haben, wird sich nur schwer ermitteln lassen. Schwer durchschaubar ist derzeit auch die Lage am
Tankschiffmarkt. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete von den größten Verlusten der Tankschiffreeder seit vierzig Jahren. Die Schwierigkeiten seien so schnell auch nicht lösbar, erst 2017
werden sich die Raten für größere Einheiten wieder erholen, zitiert die Agentur Katharina Stanzel, Geschäftsführerin bei Intertanko, der Internationalen Vereinigung unabhängiger Tankerreedereien.
Intertanko-Mitglieder bewegen etwa 58% der globalen Tankschiffflotte oberhalb eines Ladevolumens von 10.000 dwt (deadweight tons). Der verringerte Anstieg der Ölnachfrage von weniger als 1 mb/d
(Mio. Barrel pro Tag) verteile sich 2013 auf eine sich um 7,8% vergrößernde Intertanko-Flotte. „Was die Situation besonders herausfordernd gestaltet, ist, dass die Perspektiven so ungünstig sind“,
heißt es bei Intertanko.
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Eine günstigere Situation beschreibt der Schiffsmakler Intermodal: „Die Dinge wandeln sich zum Besseren“, schreibt er in seinem Wochenbericht zum Tankermarkt. Zahlreiche Marktteilnehmer, vor allem
aus Asien, seien interessiert an abzugebenden Öltankern; sie seien getrieben von einem optimistischen Gefühl für das Öltankergeschäft und von ihrer Zuversicht auf die bevorstehende Erholung des
Marktes. Energiehunger in China, Japan, Südkorea und Indien seien die bestimmenden Faktoren. Diese Entwicklung vor Augen, sei es nicht verwunderlich, dass mehr Marktteilnehmer nicht zögerten, in
den Tankermarkt zu investieren, schreibt Intermodal.
Positive Aussichten für den Markt der Produktentanker und hartnäckige dunkle Wolken über dem Segment der Rohöltanker – so umschreibt der Schiffsmakler McQuilling die aktuelle Zweiteilung des
Tankschiffmarktes. Für den Produktentransport sei mittelfristig ein Tonnen-Meilen-Zuwachs von 2% zu erwarten, doch laste 2013 wegen des voraussichtlich geringeren Produktenverbrauchs in den
Industrienationen ein gewisser Druck auf dem Segment. Der Rohölflotte kommen geringere Neubauaufträge und robuste Abwrackzahlen zugute, allerdings seien die Raten, auch wegen verringerter
Rohölnachfrage während der letzten vier Monate, schwächer als für 2013 angenommen. „Dennoch bleiben wir optimistisch und vertrauen darauf, dass Unterstützung naht“, zeigt sich McQuilling
zuversichtlich.
Der neue „Medium-Term Oil Market Report“ der IEA untersucht viele Faktoren – Ölförderung, Preisbildung, Öl- und Produktennachfrage, Raffineriekapazitäten –, die den Tankermarkt beeinflussen. Wie
sich aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Parameter ein – positives – Bild für den Tankermarkt ergibt, schildert der Schiffsmakler Gibson am Beispiel Indiens: In den vergangenen zehn Jahren habe
das Land seine Rohölimporte mehr als verdoppelt. Laut IEA werde Indien 2013 seine Ölnachfrage, wenn auch auf niedrigerem Niveau, um 0,1 auf 3,74 mb/d weiter steigern. Die IEA bescheinige dem Land
einen konstanten Zuwachs über die nächsten fünf Jahre um jeweils 0,12 mb/d heißt es bei Gibson.
Seine Abhängigkeit von iranischen Rohölimporten kompensierte Indien fast ausschließlich durch Lieferungen aus Nigeria – dessen tragende Rolle als Ölnation die IEA in ihrem neuen Report hervorhebt –
und avancierte zu dessen größtem Abnehmer, vor den USA. Indien, das nun 17% des westafrikanischen Öls beziehe, verschiebe damit zugleich wichtige Tankerrouten und verbessere in diesem Fall das
Tonnen-Meilen-Verhältnis der Tankerflotte. Um gegen Preisschwankungen und Störungen der Ölversorgung gewappnet zu sein, erhöhe Indien außerdem seine strategischen Vorräte, so Gibson.
Der Raffineriesektor Indiens habe im letzten Jahrzehnt ebenfalls eine weitreichende Veränderung erfahren. Daraus resultiere nun ein Überhang an Ölprodukten, die für den Export zur Verfügung stehen.
Zur Raffineriekapazität von 4,4 mb/d Ende 2012 werden im ersten Quartal 2014 zwei Anlagen mit zusammen 0,42 mb/d hinzu kommen; weitere Kapazitäten seien in Planung.
Im Ergebnis werde die Ölnachfrage Indiens kontinuierlich weiter steigen, ebenso die Raffinerieproduktion innerhalb der kommenden fünf Jahre. – „Dies ist ein perfektes Szenario für Tankschiffreeder:
mehr Rohöl importieren und zugleich mehr Produkte exportieren“, resümiert Gibson. In der Hansa-Hamburg-Flotte fahren Rohöl- und Produktentanker verschiedener
Klassen und Größen.
Der Schiffsmakler ACM ermittelte Ende Mai den Ratendurchschnitt für Einzelreisen (Zeitcharteräquivalent) auf unterschiedlichen Routen für LR1-/Panamax-Produktentanker („dirty“) mit etwa USD 9.300
(Vormonat: USD 13.150), für LR1-/Panamax-Produktentanker („clean“) mit knapp USD 9.000 (Vormonat: USD 11.300). Für Suezmax-Rohöltanker wurden rund USD 6.500 pro Tag (Vormonat: USD 12.250)
angegeben. Als theoretische Einjahreszeitcharterrate – eine Referenzgröße, die in der Praxis so nicht zustande kommt, da Tanker im Regelfall auf dem Spot-Markt unterwegs sind und über einen Pool
oder direkt verchartert werden – errechnete ACM für Rohöltanker der Größe Suezmax eine Rate von USD 15.500 pro Tag (Vormonat: USD 15.500), für die Größe LR1/Panamax eine Zwölfmonatsrate von USD
15.000 (USD 15.500). (Gastbeitrag von Hansa Hamburg Shipping)