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    Stumme Alarmglocken  5543  8 Kommentare Hart aber Fair: Prokon-Anleger in der Gier-Falle?

    Am Montagabend machte sich die ARD mit der Talkshow „Hart aber Fair“ auf die Suche nach dem sicheren Geld. Sind Anleger zu gutgläubig oder zu gierig, fragte Moderator Frank Plasberg zu Beginn der Sendung. Aktueller Hintergrund ist die spektakuläre Pleite der Prokon Regenerative Energien GmbH (wallstreet:online berichtete). Seitdem das Unternehmen aus Ithzehoe am 22. Januar 2014 Insolvenz anmelden musste, bangen 75.000 Kleinanleger um ihr Geld. So auch Heidi Semsei, die vor 1 ½ Jahren 15.000 Euro in Prokon-Genussrechte investiert hat. Das Niedringszinsumfeld, eine klaffende Rentenlücke, die Sorge um die Versorgung im Alter, da kam die Prokon-Werbung gerade recht. Es lockten bis zu 8 Prozent Zinsen. Doch nun könnte alles verloren sein. 
     
    Ihr Beispiel steht für viele Anleger in Prokon-Genussrechte, die mit einem eher kleinen, überschaubaren Risiko gerechnet haben, nicht jedoch mit der Möglichkeit des Totalverlustes. Je höher die Zinsen, desto höher das Risiko, das wusste auch Heidi Semsei. Aber die Alarmglocken blieben stumm. Die Zinsen, das Konzept der grünen Geldanlage aber auch die kurzen Kündigungsfristen, das alles überzeugte nicht nur Frau Semsei. Doch lassen sich langfristige und kapitalintensive Investitionsgüter nicht mit kurzfristigem Kapital finanzieren.
     
     
    Staatliche Förderung der Energiewende – ein Prokon-Gütesiegel?
     
    Klaus Nieding, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, hakt ein: Zwar hätte die erhebliche Zinsdiskrepanz die Anleger stutzig machen müssen. Aber waren nicht auf der anderen Seite ökologische Geldanlagen in aller Munde? Der Staat unterstützt den Ausbau erneuerbarer Energien mit Förderprogrammen sowie Mindestabnahmegarantien von Wind- und Solarenergie. Das alles verwies auf eine Investmentmöglichkeit mit Gütesiegel. So suggerierte Prokon lange Zeit auch die Sicherheit eines grünes Sparbuchs. Die Strategie, einseitig nur mit Vorteilen für ihre Genussrechte zu werben, ohne auf die Risiken hinzuweisen, wurde der Prokon jedoch durch das Landgericht Itzehoe (AZ 5 O 66/10) sowie durch das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (AZ 6 U 14/11) gerichtlich untersagt. 
     
    Entsprechende Risikohinweise eines Teil- bzw. Totalverlustes habe Prokon dennoch erst im vergangenen Jahr in die Prospekte übernommen. Nieding könne sich vorstellen, dass beim Direktvertrieb der Prokon-Genussrechte weiterhin die Risikohinweise „nonchalant weggeschwätzt“ wurden, gerade unter dem Verweis auf staatliche Förderung der erneuerbaren Energien. 
     
    Kann man es vor diesem Hintergrund den Anlegern vorwerfen, nicht gefragt zu haben, warum sich Prokon bei Kleinanlegern zu höheren Zinsen Geld leiht, als bei einer Kapitalaufnahme bei Banken vergleichbar erforderlich gewesen wäre? Der Umstand, dass Prokon Kapital zu hohen Zinsen bei Privatanlegern einsammeln musste, hätte den Anlegern einen Anhaltspunkt liefern können, dass sich dem Anschein nach keine Bank zur Finanzierung gefunden hatte. 
     
     
    Politik kann Gier nicht verbieten
     
    Gier lasse sich nicht durch Politik verbieten, so Steffen Kampeter (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, auf die Frage, wie die Rahmenbedingungen für Anleger verbessert werden könnte. Diesen müsse bewusst sein, dass ein hoher Zins mit einem höheren Risiko einherginge. Anleger sollten die Finger von Produkten lassen, die sie nicht verstehen. Die Politik könne letztlich für Transparenz sorgen, doch könne man den Anlegern die Entscheidung als mündige Bürger nicht abnehmen. Eins sei klar, so Kampeter: Kapitalanlagen würden nicht aus Menschenfreundlichkeit aufgelegt. Jedes Unternehmen verfolge ein klares Interesse an Aufnahme von Kapital, wie auch die Anleger, die Rendite sehen wollen. Der Staat könne nicht überall regulierend eingreifen.
     
    Das jedoch wäre das Ziel von Linken-Politiker Oskar Lafontaine, der auf die desaströse Lage auf den internationalen Finanzmärkten und die Folgen verweist. Niedrige Zinsen für Rente und Sparbuch, da könne man den Kleinanlegern nicht vorwerfen, sich zur Altersabsicherung nach Alternativen umzuschauen. Doch fehle eine Instanz, die neutral zum Beispiel in Form eines öffentlich-rechtlichen Finanz-TÜV die Anleger über Risiken und Nebenwirkungen von Finanzprodukten warnt. Er ergänzt: So lange die Banken weiterhin die Politik kontrollierten, sei der Versuch einer Regulierung vergebene Liebesmüh.
     
     
    Ein Anlageskandal jagt den nächsten
     
    Seit Jahren jage ein Anlageskandal den nächsten, kritisiert Edda Edda Castelló, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. Seit Jahren töne auch die Politik, alles zu tun, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Passiert sei jedoch nichts. Die Anleger seien weiterhin diesen Angeboten ausgeliefert. Es wäre es wohlfeil zu behaupten, sie müssten wissen, dass sich hinter 8 Prozent Zinsen auch ein hohes Risiko versteckt. Sowohl Gier als auch Unverständnis können den Anlegern nicht zum Vorwurf gemacht werden. Wer verstünde zum Beispiel Lebens- und Rentenversicherungen? 
     
    Was auch vielen Anlegern nicht bekannt sein dürfte: Komplizierte Finanzanlagen des Grauen Kapitalmarktes unterliegen der Gewerbeaufsicht, die ansonsten die Kneipe um die Ecke oder Weihnachtsmärkte kontrolliert. Na dann Prost!
     

     

    Hintergrund: Prokon Regenerative Energien:
    Über 75.000 Anleger haben gut 1,4 Milliarden Euro in Form von Genussrechten in die Prokon Regenerative Energien GmbH investiert. Laut nicht testiertem Jahresabschluss hat Prokon im Jahr 2012 bei einem Umsatz von ca. 410 Millionen Euro, einen Verlust in Höhe von rund 171 Millionen Euro eingefahren. Der operative Gewinn lag bei 37 Millionen Euro. Bei Herausrechnung des Genussrechtskapitals hatte Prokon eine negative Eigenkapitalquote von sieben Prozent. Am 22. Januar 2014 folgte mit dem Insolvenzantrag beim Amtgericht Itzehoe das bittere Erwachen für die Prokon-Anleger. Inzwischen bringen sich durch die Insolvenz Prokons bereits die ersten Schnäppchenjäger in Stellung: Prokon - Anlagen und Genussrechte im Visier der Schnäppchenjäger.
     

     

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