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    Maßgeschneiderte Indizes  5216  0 Kommentare Alternativen im Umfeld von Niedrigzinspolitik und globaler Verschuldung

    Solactive entwickelt und vermarktet strukturierte Investment-Lösungen und zählt dabei namhafte Emittenten zu seinen Produktpartnern. Aus Investmentideen entstehen innovative Produktentwicklungen und oft sogar völlig neuartige Anlagekonzepte. Henning Kahre, Head des Equity Team der  Solactive AG, spricht im Interview auf wallstreet:online über die Entwicklung neuer Indexkonzepte, welche Themen und Investmentstrategien derzeit den Markt beherrschen und worauf die Produktunterschiede zwischen den USA und Europa basieren. 

     

    Herr Kahre, wie sieht Ihr Aufgabengebiet im Allgemeinen und im Einzelnen aus?

    Henning Kahre: Innerhalb von Solactive verantworte ich die Aktienindizes. Der zweite Bereich, Bond & Complex Indexing, wird von Astrid Ludwig geleitet.

    Die tägliche Arbeit umfasst verschiedene Teilbereiche: Von der Idee über die Indexentwicklung bis hin zur fortlaufenden Berechnung und Anpassung von Indizes.

    Ein wichtiger Schritt ist dabei sicherlich die Indexentwicklung – und genau dafür gibt es kein Patentrezept. Wir schauen uns Asset Flows, die Entwicklung einzelner Märkte, Regionen, Sektoren sowie die Veränderung regulatorischer und politscher Rahmenbedingungen an und formulieren mögliche Investmentstories. Im Anschluss führen wir Rückrechnungen durch, analysieren die Handelbarkeit des Konzepts, Risiko-Rendite-Eigenschaften und sich verändernde Exposures im Zeitablauf. Simultan wird gemeinsam mit der Vertriebsseite geschaut, für welche Kunden das jeweilige Konzept interessant sein könnte. Deren Input fließt ebenfalls in die Entwicklung mit ein.

     

    Tönt reichlich komplex.

    Kahre: Bei der laufenden Indexpflege ist ein Großteil der notwendigen Arbeit standardisiert und automatisiert, was sich aus dem systematischen, regelbasieren Ansatz ergibt, den Indizes verfolgen. Eine leistungsfähige Berechnungsplattform ist in diesem Zusammenhang essentiell.

    Nichts desto trotz gibt es immer wieder Situationen, bei denen eingegriffen werden muss. Ein Beispiel war jüngst die Kapitalmaßnahme bei Google, bei der die Firma eine zusätzliche Aktiengattung an die Aktionäre distribuiert hat. Wussten Sie beispielsweise, dass der S&P 500 seit dem Event ein S&P 501 ist?

    Die Auflage neuer Indizes erfordert detailliertes Arbeiten sowie Erfahrung im Umgang mit verschiedensten Datenpunkten. Kleine Abweichungen bei Inputparametern, wie z.B. der Frage, ob die Marktkapitalisierung einer Aktiengattung oder die Gesamtmarktkapitalisierung für die Gewichtung verwendet wird, kann die Performance eines Index deutlich beeinflussen.

     

    Was für Indizes haben Sie mit Ihrem Team in den letzten Wochen an den Start gebracht?

    Kahre: Wir haben in der letzten Zeit einige innovative Indexkonzepte vorgestellt. Das jüngste Beispiel ist der Solactive European Stock Buyback Index, der Unternehmen umfasst, die Aktienrückkäufe angekündigt haben. Die Signifikanz und Höhe der Aktienrückkäufe wird dabei im Gewichtungsschema mit berücksichtigt. In Amerika funktioniert dieses Konzept bereits seit einiger Zeit, für Europa war bisher jedoch kein Index verfügbar. Zudem haben wir die Familie der Solactive Guru Indizes um eine internationale und eine Small-Cap-Variante erweitert. Für die Zusammensetzung der Guru Indizes filtern wir die Filings verschiedener Hedgefonds, die alle drei Monate bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC eingereicht werden müssen. Aus den Top Holdings wird dann nach verschiedenen Kriterien die finale Indexzusammensetzung ermittelt. Ein weiteres interessantes Projekt ist ein Mittelstands-Index für den deutschen Markt, der sich zwar an der Marktkapitalisierung orientiert, aber auch andere Komponenten berücksichtigt, wie zum Beispiel den Anteil, der vom Vorstand und den Gründern gehalten wird.

     

    Für welche Art von Produkten werden sie genutzt?

    Kahre: Den Buyback Index haben wir zusammen mit der Société Générale entwickelt. Der Index wird als Basis für Swaps, Optionen und Zertifikate genutzt. Die beiden neuen Guru Indizes wurden für Global X Funds in den USA kreiert und sind als ETFs an der NYSE Arca gelistet worden. Der Mittelstands-Index ist von der Deutschen Bank lizensiert worden und über ein ETF von db-X trackers in Deutschland investierbar.

     

    Kreieren Sie auch Indizes auf Vorrat oder liegt immer ein konkreter Auftrag vor?

    Rein auf Vorrat eigentlich nicht. Entweder wir haben zumindest potenziell einen Kunden für ein Konzept in Aussicht oder wir haben eine konkrete Kundennachfrage. Da unsere Systeme so konzipiert sind, dass wir recht schnell neue Indizes auflegen können, warten wir ein konkretes Interesse ab, da wir auch so noch schnell genug reagieren können. Dies ist auch eine der Stärken, die wir von Kunden immer wieder bescheinigt bekommen und die wir auch aktiv nach außen kommunizieren. Aus den genannten Gründen heraus macht es für uns keinen Sinn, Indizes ohne Kunden lediglich ins „Schaufenster“ zu stellen.

     

    Ihr Unternehmen ist sowohl in Europa wie auch vor allem in den USA stark positioniert. Wo gibt es für Sie aktuell mehr Arbeit?

    Kahre: Das stimmt. In den USA sind wir aktuell beispielsweise die Nummer 3 bei der Anzahl an ETFs, die an von Solactive berechneten Indizes gelinkt sind. Rege Nachfrage gibt es aber grundsätzlich in beiden Märkten. Lediglich die Art der Nachfrage unterscheidet sich mitunter voneinander. Es ist sicher nicht ganz falsch zu sagen, dass der europäische Markt dem amerikanischen ETF-Markt einige Quartale oder sogar Jahre hinterherläuft, was gewissermaßen eine selbsterfüllende Prophezeiung ist, da viele Marktteilnehmer in Europa bei der Planung neuer Konzepte auf den amerikanischen Markt schauen. In Amerika dominieren aktuell Spezialthemen und Investmentstrategien, die mitunter vormals aktiv gemanagt wurden. In Europa sehen wir immer noch rege Nachfrage nach Indizes, die einer modifizierten Benchmark ähneln.

     

    Auf der Aktien- oder Anleihen-Seite?

    Kahre: Das gilt für beide Asset-Klassen. Im Allgemeinen kann man sagen, dass es in Europa annähernd so viele ETFs wie in Amerika gibt, aber bedeutend weniger Auswahlmöglichkeiten bei der Wahl der Strategien. So gibt es in Europa eine Vielzahl von ETFs auf europäische- oder Länder-Benchmarks, aber im Regelfall immer nur einen ETF pro Index in Amerika.

     

    Was ist mit Rohstoffen?

    Kahre: Rohstoffe sind auf Grund der UCITS-Regeln nicht ganz einfach, in einen ETF zu verpacken. Lediglich die Schweiz stellt eine Ausnahme dar. Zudem haben Rohstoffe stürmische Zeiten hinter sich. Doch mittlerweile rückt diese Asset-Klasse wieder verstärkt in den Anlegerfokus. Die UBS hat mit uns einen interessanten Weg gewählt, indem das Thema Rohstoffe indirekt via Aktien gespielt wird. Die mit dem Direktinvestment am höchsten korrelierten Aktien werden in einen Index verpackt, um ein UCITS konformes ETF-Investment zu ermöglichen. Ein Beispiel dafür ist der Solactive Global Oil Equities Net Total Return Index.

     

    Haben Sie noch viele Indizes im Kopf, mit denen Sie die Finanzindustrie in Zukunft überraschen wollen?

    Kahre: Ideen gibt es viele, dies können z.B. Märkte und Themen sein, die aktuell mangels einer ausreichenden Anzahl liquider Titel noch nicht handelbar sind. Ein anderer Ansatzpunkt ist der Versuch, Antworten auf ein verändertes Marktumfeld zu finden, wie der Niedrigzinspolitik und der globalen Verschuldungsproblematik. Auch die Einführung neuer Finanzinstrumente und die Veränderung institutioneller Rahmenbedingungen spielt eine große Rolle. Was passiert beispielsweise, wenn Frankfurt zukünftig eine Art Drehscheibe für das „Renminbi-Clearing“ werden wird? Auch aus solchen Entwicklungen könnten sich für Indexberechner Opportunitäten ergeben.

     

    Zur Person – Henning Kahre

    Henning Kahre leitet innerhalb von Solactive den Bereich der Aktienindizes. Er trat im Frühjahr 2010 nach seinem Abschluss als Diplom-Kaufmann an der Goethe Universität Frankfurt/Main in das Unternehmen ein. Im Rahmen des Studiums absolvierte er Stationen unter anderem im Private Banking bei Julius Bär sowie im Fondsmanagement bei Allianz Global Investors.

    Das Interview entstand in Kooperation mit Fundplat.com.





    wallstreetONLINE Redaktion
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    Maßgeschneiderte Indizes Alternativen im Umfeld von Niedrigzinspolitik und globaler Verschuldung Die Entwicklung innovativer Indexkonzepte ist die Aufgabe von Henning Kahre, Solactive AG. Welche Themen und Investmentstrategien bestimmen derzeit den Markt? Welche Überraschungen hat er für die Finanzindustrie und insbesondere Anleger im aktuellen Umfeld parat?