Der China-Faktor
Sorgen ja, Panik nein!
Eine platzende Immobilienblase, das aufgeblähte Schattenbankensystem und dazu sinkende Wachstumsraten – China sorgt seit Monaten für schlechte Stimmung bei den Anlegern. Der chinesische Aktienmarkt hinkt den internationalen Indizes schon seit der Finanzkrise hinterher. Das hat dazu geführt, dass ausländische Investoren die mittlerweile zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt meiden. Herrschte vor einigen Jahren noch Goldgräberstimmung in Anbetracht der hohen Wachstumsraten, so ist mittlerweile Ernüchterung eingetreten. Die Investoren sind von den geringen Gewinnmargen chinesischer Unternehmen enttäuscht, dazu die unsicheren Eigentumsverhältnisse und ein abwertender Yuan – kein Wunder, warum „Red-Chips“ unpopulär geworden sind. So hängen Indizes wie der Shanghai Composit oder der Shenzen Composit in den letzten Jahren weit hinter Indizes wie dem S&P 500, dem MSCI World oder gar dem Eurostoxx 50 oder dem DAX hinterher.
23 Jahresgehälter für eine Eigentumswohnung!
Die ansonsten spekulationsfreudigen Chinesen haben sich längst neue Spielwiesen gesucht und dabei den Immobilienmarkt entdeckt - mit zum Teil grotesken Auswirkungen. In den vergangenen sieben Jahren haben sich die Preise landesweit mehr als verdoppelt. In Peking ist das Verhältnis von durchschnittlichem Einkommen zu Wohnungspreis auf 23 Jahresgehälter gestiegen! Unter diesem Aspekt ist die Metropole die teuerste Stadt der Welt und dreimal so teuer wie London.
Doch der Trend kippt, seit Anfang des Jahres drehen die Preise nach unten, es kommt zu Zwangsversteigerungen und Pleiten von Bauträgern. In China ist das Investieren und Spekulieren in und mit Immobilien in den letzten Jahren zum Volkssport avanciert. Doch nirgends auf der Welt sind die Leerstandquoten höher als im Reich der Mitte. In Hong-Kong sprechen Immobilienmakler von Panikverkäufen vieler Festland-Chinesen und die Kurse der chinesischen Immobilienaktien (REITs) sind auf Jahresfrist bereits um über 30% abgestürzt.
Konjunktur lässt Federn
An der chinesischen Binnenkonjunktur geht diese Entwicklung natürlich nicht spurlos vorbei. Zwar expandiert der heimische Konsum nach wie vor mit zweistelligen Steigerungsraten - zuletzt +12,5% gegenüber April 2013 - doch in den letzten drei Jahren hat sich die Wachstumsdynamik auch hier bereits halbiert. Vor allem restriktivere Kreditvergabestandards der Banken, sinkende Beleihungswerte bei Immobilien und das Austrockenen des Schattenbankensystems machen Kredite teurer und deren Verfügbarkeit schwieriger. Ebenfalls rückläufig sind das chinesische Unternehmervertrauen, die Einkaufsmanager-Indizes, die Industrieproduktion und das Konsumentenvertrauen.
Massives Gegensteuerungspotenzial
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Für Panik gibt es dennoch keinen Grund. Anders als in den westlichen Volkswirtschaften verfügt China über ein dickes Vermögenspolster in Form von Währungsreserven in Höhe von über 2,55 Billionen Euro für fiskalpolitische Maßnahmen. Die Regierung in Peking kündigte bereits an, die staatlich kontrollierten Großbanken zu einer stärkeren Hypothekenvergabe zu animieren. Darüber hinaus sollen milliardenschwere Infrastrukturprogramme den Arbeitsmarkt entlasten.
Die chinesische Zentralbank Peoples Bank of China (PBoC) hat ebenfalls deutlich mehr Spielraum als ihre westlichen Pendants, die ihr konventionelles Pulver bereits verschossen haben. So liegt der Hauptrefinanzierungssatz (Leitzins) der PBoC bei satten 6% - Zinssenkungsspielraum ist also reichlich vorhanden und damit Stimulus für den Immobilienmarkt. Für den Fall, dass es zu einer Fortsetzung der wirtschaftlichen Schwäche sowie des Immobilienpreisverfalls in chinesischen Metropolen kommt, hat die PBoC bereits „weitreichende“ Maßnahmen angekündigt.
China hat den Vorteil, dass es die Staatsverschuldung nicht ausweiten muss und immer noch über normale Zinssätze verfügt. Daher ist es ratsam, nüchterne Gelassenheit bezüglich des China-Faktors an den Tag zu legen. Für Panik ist es viel zu früh.