Europaskepsis
BREXIT - Was kostet ein EU-Austritt?
In Richtung eines EU-Austritts gehende Gedanken und Forderungen gibt es in Großbritannien schon lange. Das passende Kunstwort auch. Es nennt sich Brexit. Nach dem aufsehenerregenden Ergebnis der europaskeptischen Ukip-Partei stellt sich aber auch die Frage, ob ein Austritt Großbritanniens aus der EU neben den schwierigen politischen Folgen überhaupt wirtschaftliche Vorteile bringen würde?
Unter dem Titel „Brexit or Fixit“ stellten Wissenschaftler jüngst eine Studie vor, die zeigt, wie sehr der EU-Austritt die Wirtschaft des Landes beeinträchtigen könnte. Die Folgen könnten demnach sogar schlimmer sein, als die der Finanzkrise 2008, berichtet die „Welt“ unter Berufung auf die Studie. Zwar könne Großbritannien durch dann nicht mehr notwendige Zahlungen nach Brüssel rund 8,6 Milliarden Pfund (10,6 Milliarden Euro) einsparen, doch würde diese Einspraung eindeutig von den Nachteilen eines EU-Austritts überwogen. Denn ein Austritt aus der EU würde auch bedeuten, dass Großbritannien nicht weiter vom einfachen innereuropäischen Handel profitiert. Über die Hälfte des Exports des Landes geht in die Europäische Union. Durch höhere Steuern und Zölle sowie weniger Handel innerhalb Europas generell würde Großbritannien hart getroffen: Das Centre of Economic Performance an der London School of Economics prognostiziert laut „Welt“ Einbußen von 1,1 bis sogar 9,5 Prozent des BIP.
„Der Ausstieg würde der britischen Wirtschaft beträchtliche Kosten aufbürden“, sagt deswegen Joao Paulo Pessoa, einer der Verfasser der Studie. Er nennt die Brexit-Szenarien deswegen „ein sehr riskantes Spiel“ und führt weiter aus: „Um diese Zahlen ins Verhältnis zu setzen: Während der Finanzkrise ging das britische BIP um rund sieben Prozent zurück.“ Allen voran im Finanzsektor drohen Großbritannien der Studie zufolge herbe Verluste, da dieser besonders abhängig vom europäischen Binnenmarkt sei. Entsprechend groß ist die Ablehnung eines EU-Austritts in diesem Bereich.
Forderungen zu einem Brexit-Austritt begründen sich häufig auf der Unzufriedenheit über Vorschriften aus Brüssel. „Es gibt eine ernst zu nehmende Zahl an Firmen, die glauben, dass sie ohne EU besser dastünden, weil sie weniger Vorschriften einhalten müssten", sagt Howard Archer, Chefökonom für Großbritannien beim Informationsdienst IHS Global Insight, dem Bericht zufolge. Doch die Wissenschaftler vom Centre of Economic Performance halten auch dem etwas entgegen: Im Falle eines EU-Austritts verzichte Großbritannien auf Mitgestaltung, müsse aber viele der Regeln aus Brüssel noch immer beachten – für den europäischen Handel. Der Chefrepräsentant der Interessengemeinschaft TheCityUK sieht das laut „Welt“ ähnlich: „Die Mitgliedschaft gibt Großbritannien machtvolle um seine Interessen durchzusetzen, zum Beispiel Stimm- und Vetorechte.“
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Eine andere Einschätzung präsentierte Anfang April der britische Diplomat Iain Mansfield. In seiner Studie „Offenheit statt Isolation“, für den er sogar den mit 100.000 Pfund dotierten Preis des Institute for Economic Affairs (IEA) gewann, argumentiert er für positive wirtschaftliche Folgen eines Brexit-Szenarios (wallstreet:online berichtete). „Das Resultat [eines EU-Austritts] wäre eine beschleunigte Verlagerung der Ausfuhrströme weg von der EU. Stattdessen würden sie in Richtung der Schwellenländer zielen", schreibt er.