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    Forward-Guidance  943  0 Kommentare Die Geldpolitik und das Dilemma der Zentralbanken

    Die Zinsen könnten „schneller steigen, als es die Märkte erwarten”, sagte Mark Carney, Gouverneur der Bank von England (BoE), im Juni. Seine Aussage und das hastige Zurückrudern in den Tagen danach machen das Dilemma deutlich, in dem sich die Notenbanker der gesamten entwickelten Welt befinden. Auf der einen Seite wollen sie den Markterwartungen über ein letztendliches Ende der ultralockeren Geldpolitik eine Richtung geben und auf der andern Seite sind die realen Wirtschaftsdaten für viele Märkte schwach genug, um die Anhebung der Zinsen zurückzuhalten. In der entwickelten Welt hat jede Zentralbank ein etwas anderes Kommunikationsproblem zu überwinden, sie müssen jedoch alle darauf achten, ihre eigene Glaubwürdigkeit nicht zu untergraben. In den USA hat ein strenger Winter das Durcheinander noch verstärkt.

    Das BIP des ersten Quartals wurde unlängst nach unten auf einen Rückgang von nun -2,9% korrigiert, was zwangsläufig zu einer insgesamt niedrigeren Wachstumsrate für das Jahr 2014 führen wird. Unserer Ansicht nach könnten vermehrte Ausgaben im zweiten Quartal den Daten Auftrieb verleihen, diese dürften in der zweiten Jahreshälfte dann allerdings wieder nachgeben. Entsprechend der schwächeren Wirtschaftsaktivitäten sollte der Inflationsdruck unserer Einschätzung nach relativ moderat bleiben. Im Interesse der US-Notenbank Federal Reserve dürfte es liegen, wenn die Zinsen bis weit ins Jahr 2015 unverändert bleiben. Ihr Doppelmandat, das Fördern sowohl von Wachstum als auch von Vollbeschäftigung, verpflichtet politische Entscheidungsträger dazu, einen Beitrag zu leisten für günstige Bedingungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Und obwohl unlängst ein stabiles Beschäftigungswachstum zu erkennen war, gibt es nach wie vor eine Vielzahl an Langzeitarbeitslosen. Ungeachtet dessen könnten Ereignisse wie ein starker Rückgang der Arbeitslosigkeit oder ein kräftiger Inflationsanstieg erwähnte Entscheidungsträger zu einer schnelleren Reaktion zwingen, da sie ansonsten einen erheblichen Verlust ihrer Glaubwürdigkeit riskieren würden.

    Währenddessen hat Herr Carney in Großbritannien seine eigene Forward-Guidance-Strategie unterminiert, indem er die Möglichkeit für eine  frühere Zinsanhebung andeutete. Dies dürfte vielleicht überhebelte Positionen abgeschüttelt haben, und Herr Carney muss jetzt jedoch aufpassen, dass er seine Glaubwürdigkeit nicht beschädigt. Erste Daten über die Auswirkungen von strengeren Bewilligungsstandards von Hypothekenanträgen scheinen darauf hinzudeuten, dass der Markt signifikant zurückgegangen ist. Dies könnte ausreichend sein, um die Wirtschaftswachstumsrate von Großbritannien von noch kürzlich 3% abzuschwächen und es könnte auch genug sein, um die erste Zinsanhebung auf nächstes Jahr zu verschieben. Sollten die Daten jedoch aufgrund der anhaltenden Schaffung von Arbeitsplätzen und der steigenden Gehälter stabil bleiben, muss die BoE unserer Ansicht handeln oder sie riskiert einen enormen Vertrauensverlust. In Europa verwandelt Mario Draghi die Europäische Zentralbank erfolgreich in eine pragmatischere Institution, indem er beispielsweise weiterhin in einem stetigen Dialog mit den Märkten steht. Die Erholung in Europa schreitet weiter voran und das BIP könnte dieses Jahr die Marke von 1,5% erreichen. Die deflationären Kräfte sind jedoch immer noch machtvoll, insbesondere in den schwächeren Peripherieländern. Aus diesem Grund wartet Herr Draghi mit einem ganzen Maßnahmenpaket auf, das dieser Entwicklung entgegenwirken soll und besonders auf die Problematik der hohen Kreditkosten für kleine und mittelgroße Unternehmen im Süden eingehen soll. Für die meisten Initiativen hat Herr Draghi von den Märkten bisher einen Vertrauensvorschuss erhalten, er könnte jedoch, jetzt, mit dem Beginn eines konkreten Plans, auf eine harte Probe gestellt werden.

    Mit Abstand zu den Details erscheint die globale Geldpolitik nach wie vor sehr wachstumsfördernd, was unsere Übergewichtung für Aktien unterstützt. Wir müssen jedoch auch zur Kenntnis nehmen, dass die Marktbewertungen innerhalb der vergangenen 18 Monate enorm gestiegen sind. Obwohl die Aussichten bei den Unternehmensgewinnen moderate Zuwächse zulassen, wäre ein weiterer Bewertungssprung kaum zu rechtfertigen. Die Entwicklung von Aktien könnte also schleppend vorangehen, trotzdem befinden sich  Aktien nach wie vor in einer besseren Position als andere Anlageklassen. Innerhalb der Assetklasse behalten wir unsere Übergewichtung in Japan bei, was skeptische Anleger immer noch überraschen dürfte. Im Vergleich zu anderen Märkten ist Japan attraktiv bewertet und die erwarteten Gewinnzuwachsraten sind solide untermauert. Des Weiteren haben wir unsere Einschätzung zu Schwellenländern auf den Status neutral angehoben. Die langfristige Geschichte ist im Vergleich zu westlichen Ländern immer noch überzeugend und das Bewertungsniveau ist mittlerweile angemessen. Europäische Aktien haben wir auf eine Untergewichtung herabgestuft, da die Empfindlichkeit des Bankensystems und die Spannungen durch die neue Basel III-Richtlinie die Initiativen von Herrn Draghi zunichtemachen könnten.

    Unsere Ratings für Staatsanleihen haben wir nicht verändert, wir haben jedoch Hochzinsanleihen auf eine Untergewichtung herabgestuft. Der Substanzwert schwindet in diesem Segment schnell und die Liquiditätsbedingungen belasten die Handelbarkeit. Einen Mehrwert finden wir bei Schwellenländeranleihen in Lokalwährungen, für die wir unsere Übergewichtung beibehalten. Mit Blick auf Sektoren haben wir Energie auf neutral heraufgestuft. Den Finanzsektor haben wir auf neutral herabgestuft und Telekommunikation und Versorger untergewichtet. Bei den Währungen haben wir das Pfund Sterling nach einer starken Entwicklung auf eine Untergewichtung herabgestuft und den Yen auf neutral angehoben. (Gastebeitrag von Percival Stanion, Head Asset Allocation der Baring Asset Management)

     






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    Forward-Guidance Die Geldpolitik und das Dilemma der Zentralbanken Die Zinsen könnten „schneller steigen, als es die Märkte erwarten”, sagte Mark Carney, Gouverneur der Bank von England, im Juni. Seine Aussage und das hastige Zurückrudern in den Tagen danach machen das Dilemma deutlich, in dem sich die Notenbanker der Welt befinden.

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