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    Neuer Doom-Chart  11078  1 Kommentar Droht Deutschland das Gespenst der „Japanifizierung“?

    Ein neuer Chart of Doom sorgt derzeit für Aufsehen und prophezeit - mal wieder - den Untergang der Börse. Dieses Mal geht es um nichts geringeres als die "Japanifizierung" der Euro-Zone.

    Was tun, wenn sich auf See ein Sturm zusammenbraut? Richtig, sich in einen sicheren Hafen retten bevor man in Seenot gerät. In der Finanzwelt ist das nicht anders. Auch hier deuten die Wolken am Himmel auf ein Unwetter hin. Militärische Konflikte in der ganzen Welt, von Syrien über die Ost-Ukraine bis hin zum Gaza-Streifen, dazu die noch immer stagnierende Wirtschaft in Europa und die verschärften Wirtschaftssanktionen gegen Russland – angesichts dieser Vielzahl an Unsicherheitsfaktoren gehen immer mehr Anleger auf Nummer sicher und parken ihr Geld lieber in sicheren Häfen. Insbesondere deutsche Staatsanleihen zählen derzeit zu beliebten Anlegestellen. Die Schuldtitel des Bundes sind sogar so beliebt, dass die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen mit 1,117 Prozent am Dienstag auf ein neues Rekordtief gefallen ist. Weder im Kaiserreich noch zur Zeiten der Großen Depression, noch nie musste Deutschland so wenig Zinsen für seine Anleihen zahlen, schreibt die „Welt“. Aber was passiert eigentlich, wenn alle Fischerboote im Hafen angelegt haben und keiner der Seemänner mehr raus zum Fischen fährt?

    Grundidee des Kapitalismus wird ausgehebelt

    Die Einen haben Geld, die Anderen haben Ideen. Der Eine gibt sein Geld dem Anderen, damit dieser seine Idee verwirklichen und mit dem Gewinn das Startkapital plus Zinsen wieder zurückzahlen kann. Eine Win-Win-Situation für beide also. Genau auf dieser Vision basiert das Prinzip der Börse. Doch zuletzt wurde diese Grundidee des Kapitalismus immer öfter ausgehebelt. Banken horten ihr Geld lieber anstatt Unternehmen Kredite zu gewähren und so die Wirtschaft anzukurbeln. Die Europäische Zentralbank (EZB) führte daher sogar erstmals einen Negativzins für Bankeneinlagen ein, um die Banken so zur Kreditvergabe quasi zu „zwingen“. Doch geholfen hat es bisher wenig. Noch immer stagniert das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone und noch immer fallen die Renditen für Staatsanleihen, heißt: Noch immer investieren Anleger lieber in vermeintlich sichere Geldanlagen wie deutsche Schuldtitel. Die Fischerboote bleiben also erst einmal im sicheren Hafen.

    Die Angst vor der „Japanifizierung“ greift um sich

    Kaum ein Schiff auf See und Wolken als Vorboten eines aufziehenden Unwetters – die perfekten Voraussetzungen für sog. Crash-Propheten, jene Experten, die nie müde werden, vor einem neuen Börsencrash zu warnen. Mal war es der Chart of Doom, mal ein Vergleich zum S&P 500 von 1987 – immer wieder verbreiteten in diesem Jahr verschiedene Horror-Charts Angst und Schrecken. Fast schien es, als sei das Vergleichen und Übereinanderlegen von Chartverläufen zu einem neuen Trendsport geworden, so wallstreet:online. Und auch dieses Mal haben die Crash-Propheten ein neues Untergangsszenario parat: Die „Japanifizierung“ der Euro-Zone.

    Einem Bericht der „Welt“ zufolge gehen an den Märkten die Angst vor japanischen Verhältnissen um. Gemeint ist die schwere wirtschaftliche Depression, in die Japan in den 1990er Jahren abgeglitten war. Auf das Wirtschaftswunder der 1980er Jahren folgten zwei Jahrzehnte der Stagnation. Droht der Euro-Zone das gleiche Schicksal?

    Die Antwort lautet ja, zumindest wenn man einem neuen Chart of Doom glauben mag. Denn legt man die damalige japanische Zinsentwicklung der 1990er Jahre und die Entwicklung der deutschen Staatsanleihen seit 2004 übereinander, so weisen die Kursverläufe laut „Welt“ erschreckende Parallelen auf. Doch das ist nicht die einzige Parallele. Das anämische Wachstum der Euro-Zone, die mangelnde Binnennachfrage, der Handelsbilanzüberschuss, die starke heimische Währung und die schrumpfende Kreditvergabe erinnerten schon sehr an Japan vor 20 Jahren, konstatiert auch Kit Juckes, Stratege bei der französischen Société Générale, in der „Welt“. Darüber hinaus leidet die Euro-Zone, wie Japan damals, unter der demografischen Entwicklung. Kein Wunder also, dass die Angst vor der japanischen Zinsfalle um sich greift.

    Was passiert, wenn die Fischerboote im Hafen bleiben?

    Aber müssen wir uns wirklich vor einer „Japanifizierung“ fürchten? Einerseits sind die Parallelen nicht von der Hand zu weisen. Andererseits ist die Vergangenheit dazu da, um aus den begangenen Fehlern zu lernen. Das haben sowohl die politischen Akteure als auch die Europäische Zentralbank offenbar getan und versuchen mit aggressiveren Maßnahmen entgegenzuwirken als dies bei den japanischen Währungshütern damals der Fall war. Und doch bleibt die Frage, was passiert, wenn alle Versuche der EZB, die Fischer von der ruhigen See zu überzeugen, scheitern. Was, wenn die Fischer auch weiterhin an ein Unwetter glauben und ihre Boote lieber im Hafen lassen? Dann wird es früher oder später keine Fische mehr geben.

    Wahres Schreckensszenario oder doch wieder nur der Abgesang eines Crash-Propheten?




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    Neuer Doom-Chart Droht Deutschland das Gespenst der „Japanifizierung“? Ein neuer Chart of Doom sorgt derzeit für Aufsehen und prophezeit - mal wieder - den Untergang der Börse. Dieses Mal geht es um nichts geringeres als die "Japanifizierung" der Euro-Zone. Was steckt dahinter? Und: Sind wir tatsächlich dem Untergang geweiht?

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