GESAMT-ROUNDUP/ Fallende Ölpreise
Konjunkturprogramm mit Nebenwirkungen
FRANKFURT/MANNHEIM (dpa-AFX) - Der Absturz der Ölpreise dürfte der deutschen Wirtschaft Schwung verleihen. "Diese Entwicklung wirkt ähnlich wie ein kleines Konjunkturprogramm", sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann am Montagabend vor Journalisten in Frankfurt. Die Bundesbank erwartet, dass die deutsche Wirtschaftsleistung in den beiden kommenden Jahren jeweils um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte höher ausfallen könnte als bisher angenommen, wenn die Rohölnotierungen so niedrig wie derzeit bleiben.
Seit diesem Sommer sind die Rohölpreise um fast 50 Prozent abgesackt. Das hat auch den Konjunkturerwartungen deutscher Finanzexperten einen kräftigen Schub verliehen. Wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag mitteilte, stieg der von ihm erhobene Indikator auf den höchsten Stand seit Mai.
"Langsam scheinen die ZEW-Finanzmarktexperten Vertrauen in die deutsche Konjunktur zurückzugewinnen", kommentierte Institutspräsident Clemens Fuest. Der Vertrauensgewinn hänge mit den günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zusammen. Fuest nannte den schwachen Euro und die niedrigen Ölpreise. Experten wie Ing-Diba-Chefökonom Carsten Brzeski sprechen von einem Konjunkturpaket, weil Verbraucher und Unternehmen in Ölimportländern entlastet werden.
Hingegen trifft der Preisverfall etwa das ohnehin schwächelnde Russland hart. Der Rubel ist auf Talfahrt, Behörden nennen neben Währungsspekulationen auch den niedrigen Ölpreis und das schlechte Investitionsklima wegen der Sanktionen des Westens gegen Russland im Ukraine-Konflikt als Grund. Bisher konnten auch zwei massive Leitzinsanhebungen der Zentralbank auf nun 17 Prozent den Rubel-Verfall nicht stoppen.
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Am Dienstag setzte sich der Rückgang der Ölpreise fort. Im Mittagshandel kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Januar 59,08 Dollar. Das waren 1,98 Dollar weniger als am Montag. Die US-Sorte WTI fiel um 1,59 Dollar auf 54,34 Dollar. Derzeit kostet Rohöl so wenig wie seit mehr als fünf Jahren nicht mehr. "Die Ölpreise befinden sich weiter im freien Fall", schrieb die Commerzbank in einem Kommentar.
Verbraucher in Deutschland profitieren von der Entwicklung bisher. Ihre Geldbeutel werden an den Tankstellen geschont, weil Kraftstoffe nach ADAC-Angaben derzeit so günstig sind wie seit vier Jahren nicht mehr. Am Dienstag rutschte zudem der Preis für 100 Liter Heizöl erstmals seit fast fünf Jahren wieder unter die Marke von 60 Euro. Das geht aus den Preisdaten verschiedener Internet-Portale hervor. Der Messtechnik-Hersteller Tecson meldete einen bundesweiten Durchschnittspreis von 58,80 Euro (bei Abnahme von 3000 Litern, inkl. Mehrwertsteuer). Das entspricht dem Preis von Februar 2010.
Angesichts des Verfalls der Ölpreise schließt die Bundesbank negative Inflationsraten in Deutschland nicht mehr aus. "Die Inflationsrate könnte in den nächsten Monaten sogar unter null sinken", sagte Weidmann. Die bereits deutlich auf 1,1 Prozent für 2015 gesenkte Prognose der Bundesbank dürfte damit nochmals unterschritten werden.
Gleichzeitig betonte Weidmann: "Eine für einige Monate unter null liegende Inflationsrate stellt für mich noch keine Deflation dar." Ein solcher Preisverfall liege erst dann vor, wenn es zu einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale aus negativen Inflationsraten, Rückgängen der Wirtschaftsleistung und Lohnsenkungen komme: "Dieses Risiko ist weiterhin gering." Allerdings werde der Preisauftrieb noch längere Zeit auf einem niedrigen, vielleicht sogar sehr niedrigen Niveau bleiben./hqs/DP/jsl