Dunkle Seite der Börse
Insiderhandel 2.0 - So tricksen Spekulanten in Zeiten des Hochfrequenzhandels
Die Einen haben Geld, die Anderen Ideen. Beide zusammenzubringen ist die Vision, die Grundidee des Kapitalismus, auf der das Prinzip der Börse basiert. Die Börse als Ort des Helfens und Geholfen Werdens, der Investoren und Unternehmer zusammenbringt, verkörpert diese gute Seite der Finanzmärkte. Doch spätestens seit Star Wars wissen wir: Wo eine gute Seite der Macht ist, muss es auch eine dunkle Seite geben. Auch an der Börse gibt es diese dunkle Seite. Das „Handelsblatt“ hat sie etwas näher beleuchtet und festgestellt: Die dunkle Seite der Börse wird immer verführerischer.
Hochgeschwindigkeitshandel macht Insidergeschäfte attraktiver
Wir leben in einer Zeit der Hochgeschwindigkeit. Jede Minute zählt, egal ob im Job, im Alltag – oder an der Börse. An den Finanzplätzen der Welt hat längst der so genannte Hochfrequenzhandel Einzug gehalten. Der Handel mit speziellen Computersystemen ermöglicht es, in kaum messbarer Zeit Geschäfte zu tätigen. Hochfrequenzhändler können so einzig und allein durch ihre Schnelligkeit Milliarden scheffeln (siehe: High-Speed-Trader – Retter des freien Marktes oder doch nur Profithaie?).
Wohl dem, der in diesem Hochgeschwindigkeitshandel nicht nur das nötige Quäntchen Glück, sondern vor allem den nötigen Wissensvorsprung hat, um die entscheidende Millisekunde früher zu sein. Insidergeschäfte bekommen in der Welt des Hochfrequenzhandels somit eine ganz neue Bedeutung. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass die Zahl der illegalen Insidergeschäfte stark zugenommen hat. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, untersuchte die Finanzaufsicht BaFin 2013 mit 42 neuen Insiderfällen gut 50 Prozent mehr als 2012. Im vergangenen Jahr sollen die Verdachtsfälle nochmals zugenommen haben, heißt es.
Die neue dunkle Seite der Börse
Der Grund: Mit dem Geschwindigkeitswandel an den Börsen hat sich auch das Geschäft mit Insiderwissen grundlegend verändert. Die Rede ist von einer professionalisierten dunkle Seite des Börsenhandels. Gemeint ist damit vor allem die Art und Weise, wie die Händler an die relevanten Informationen gelangen. Früher brauchte es dazu die klassische Person des Insiders. In alter Geheimagentenmanier wechselten Dokumentenmappe heimlich in einer dunklen Seitengasse die Besitzer. Heute sind es keine dunklen Seitengassen mehr, sondern sogenannte „Dark Pools“.
Der Vorteil solcher Handelsplattformen besteht in ihrer Anonymität. Händler können ihre Geschäfte tätigen ohne ihre Identität preiszugeben. Entsprechend schwieriger wird es festzustellen, ob und wer bei seinen Käufen und Verkäufen auf illegales Insiderwissen zurückgreift.
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Darüber hinaus bedarf es in der heutigen Zeit nicht mehr unbedingt eines Komplizen in Form des klassischen Insiders. Vielmehr können die Händler selbst zu Insidern werden, etwa, indem sie sich in wichtige Systeme hacken und so selbst an die nötigen Informationen gelangen. Das „Handelsblatt“ verweist in diesem Zusammenhang auf eine Studie des US-Sicherheitssoftwareherstellers FireEye, nach der eine Hackergruppe seit 2013 systematisch E-Mail-Konten von Führungskräften börsennotierte US-Pharmaunternehmen ausgespäht haben soll. Ein Einzelfall? Unwahrscheinlich.
Insiderhändler kommen häufig mit blauem Auge davon
Es ist vor allem deshalb unwahrscheinlich, weil die Chancen, erwischt zu werden, noch immer gering sind. Viel wahrscheinlicher ist es, dass der Insiderhandel erst gar nicht auffliegt oder man, falls doch, mit einem blauen Auge davon kommt. So werden die meisten Verfahren gegen die Zahlung einer Geldbuße eingestellt, lediglich in einem von drei Verfahren kommt es zu einer strafrechtlichen Verurteilung. Ob das ausreicht, damit andere vor ähnlichen illegalen Geschäften zurückschrecken? Fraglich, denn im besten Fall ist die Geldbuße niedriger als der Gewinn bzw. der drohende Verlust, der mit dem Insiderhandel erzielt bzw. verhindert wurde. Darüber hinaus gelten die Täter bei einer Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage weiterhin als nicht vorbestraft.
Die Verlierer der dunklen Seite der Börse sind also ganz klar all jene Anleger, die es auf die ehrliche Weise versuchen und dadurch geschädigt werden, dass andere sich nicht an die Spielregeln halten. Sie sind aber auch deshalb die Verlierer, weil sie in der Regel keinen Schadenersatz bekommen. Denn den Insidern nachzuweisen, dass sie vorsätzlich andere Anleger sittenwidrig schädigen wollten anstatt allein ihren eigenen Vorteil im Blick zu haben, ist nahezu unmöglich.
Die Jedi-Ritter, die die gute Seite vor der dunklen Seite der Börse beschützen, müssen wohl erst noch gefunden werden...