Spanische Protestpartei "Podemos"
"Wir leben in einem Europa, in dem alle die Befehle Deutschlands befolgen"
Podemos heißt die neue spanische Protestpartei, die drauf und dran ist, das spanische Machtgefüge auf den Kopf zu stellen. Doch ausgerechnet der verstorbene Hugo Chávez könnte diesen Plan nun zunichtemachen.
Mit „Yes, we can“ traf Barack Obama den Nerv der Zeit und wurde 2009 zum ersten afroamerikanischen Präsidenten der USA gewählt. „Wir können“, so heißt auch die neue spanische Protestpartei Podemos und auch sie will einen radikalen Neuanfang. Ende des Jahres will Podemos den Einzug ins spanische Parlament schaffen und das Zwei-Parteien-System aus Sozialisten und Konservativen sprengen. Jüngsten Umfragen zufolge könnte ihr das nicht nur gelingen, nein, Podemos könnte gar auf einen Schlag stärkste politische Kraft in Spanien werden. Der spanischen Tageszeitung „El País“ zufolge liegt Podemos aktuell mit 22,1 Prozent hauchdünn vor der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) mit 21,9 Prozent und der rechts-konservativen Volkspartei (PP) mit 20,8 Prozent.
Dabei ist Podemos gerade mal ein Jahr alt, entstanden aus der Protestbewegung Spaniens, die sich gegen die eiserne Sparpolitik der Regierung auflehnte. Angeführt wird Podemos von einer charismatischen Führungsgruppe um den Politikprofessor Pablo Iglesias Turrión. Auch Juan Carlos Monedero ist Mitbegründer der neuen Partei und gilt als politischer Kopf von Podemos. Im Interview mit der „WirtschaftsWoche“ spricht er über die Ziele seiner Partei und geht hart mit der deutsche Bundesregierung ins Gericht.
„Merkel schuld an sozialer Ungleichheit“
Deutschland sei in Europa so mächtig wie noch nie, so Monedero, nur noch Merkel gebe den Ton an. Die Politik in Brüssel werde seit einigen Jahren komplett von der deutschen Regierung und der Bundesbank bestimmt – zum Leidwesen aller südlichen Länder: Während in fast allen südlichen Peripherieländern große soziale Not herrsche, hätten die nördlichen „stabilitätsorientierten Länder“ ihren Wohlstand gar noch vermehren können. Die Schuld daran sieht Monederos eindeutig bei der deutschen Regierung: „Die Merkel’sche Austeritätspolitik hat die sozialen Ungleichheiten verschärft. Wir leben in einem Europa, in dem alle die Befehle Deutschlands (be)folgen.“
Dabei ist der Podemos-Mann alles andere als ein Deutschland-Gegner. Im Gegenteil, Monederos, der an der Uni Heidelberg promovierte, bewundere das deutsche Bewusstsein des Einzelnen für die ganze Gesellschaft und die grundsätzliche Verantwortung jedes Deutschen dem Staat gegenüber. „Deutschland ist eine Demokratie, die nach innen, für die eigenen Leute sehr gut funktioniert.“ Aber außerhalb des Landes agiere die deutsche Regierung alles andere als demokratisch und empathisch, so Monederos. Er wirft ihr vor, über internationale Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank oder der Europäischen Kommission Druck ausgeübt zu haben und Spanien so zu drastischen und schnellen Ausgabenkürzungen gezwungen zu haben. Den Standpunkt seiner Partei erklärt er deshalb so: „Wir empfinden das deutsche Auftreten in Europa als vorschreibend, bestimmend und wenig solidarisch.“
Podemos will den Systemwechsel
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Die Prostestpartei, die gerne als spanisches Pendant zum griechischen Linksbündnis Syriza gesehen wird, will das nun alles ändern. Es gehe nicht um etwas weniger Arbeitslose oder etwas mehr Wachstum. Vielmehr strebe Podemos eine Systemänderung an. Man wolle eine neue demokratische Entscheidungsstruktur – auch oder gerade in Brüssel. „Wir wollen die Macht wieder dem Volk zurückgeben“, so Monederos und hält die demokratischen Repräsentanten für gescheitert. Die Krise sei damit eine „einmalige Chance“, die Demokratie zu überdenken um im demokratischen Rahmen neuen Bürgerbeteiligung und mehr Gerechtigkeit zu schaffen.
Verbindung zu Venezuela sorgt für Wirbel
Die Welle der Sympathie, die Podemos entgegenschlägt, gefällt den politischen (und ideologischen) Gegnern ganz und gar nicht. Da kamen ihnen die jüngsten „Enthüllungen“, wonach die Podemos-Anführer die sozialistische Regierung in Venezuela beraten habe, gerade recht. Plötzlich stand sogar der Vorwurf im Raum, Podemos würde heimlich von Venezuela finanziell unterstützt werden. Der Geist Chávez‘ verfolge die spanischen Haushalts-Rebellen, schreibt „Bloomberg“ und berichtet von einer Anti-Podemos-Kampagne, mithilfe derer die spanische Regierung versuche, die Glaubwürdigkeit der neuen Protestpartei zu untergraben.
Gegenüber der „WirtschaftsWoche“ wehrte sich Monederos deshalb gegen die Vorwürfe, Podemos bastle heimlich an einem sozialistischen oder gar kommunistischen System. „Absolut nicht. Die Planwirtschaft ist eindeutig gescheitert.“ Genauso gescheitert wie im Übrigen auch seine Beratungstätigkeit in Venezuela. Zwar seien die Ziele von Chávez „redlich“ gewesen, dann aber hätte Korruption das Land in den Abgrund gestürzt. Von Podemos erwarte er deshalb, dass sie es besser macht, so Monederos und betont: „Ich habe die Regierung beraten, um die Politik zu verbessern und nicht, weil ich deren Regierungsform bewundere.“