Gefühltes Vermögen
Illusion des Reichtums zerplatzt - Aktionären und Immobilienbesitzern droht böses Erwachen
Dass Hans-Werner Sinn kein Freund der ultralockeren Geldpolitik ist, wissen wir. Der Präsident des ifo-Instituts ließ kaum eine Gelegenheit aus zu betonen, was er von den jüngsten Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) hält, nämlich nichts.
Erst in der vergangenen Woche widersprach Sinn im Streitgespräch mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz der Lesart, Mario Draghi hätte mit seiner Politik die Euro-Zone gerettet. Das billige Geld habe uns lediglich die Illusion einer Lösung gegeben. In Wahrheit aber hätte die EZB die wirklichen Probleme nur vertagt (siehe: „Wollen Sie die sechste Flotte Moskaus im Hafen von Piräus liegen haben?“).
In seiner Kolumne für die „WirtschaftsWoche“ konkretisiert Sinn diesen Gedanken und beschreibt, wen die EZB mit ihrer Politik illusioniere: die deutschen Sparer.
Sparer werden nicht reicher, sondern ärmer
„Es scheint, dass in der Alchemieküche der EZB die Formel für die Erzeugung von Reichtum aus dem Nichts gefunden wurde“, schreibt Sinn. Wie vom ifo-Präsidenten im Vorfeld prophezeit, habe der Ankauf von Staatsanleihen (Quantitative Easing) zu einem Boom bei Aktien und Immobilien geführt (wallstreet:online berichtete). Den Sparern und Vermögensbesitzern werde damit suggeriert, dass der Wert ihres Vermögens gestiegen sei. Doch das ist ein Trugschluss, meint Sinn. Wer nur auf die aktuellen Vermögenswerte schaue, unterliege einer von der EZB herbeigeführten „Bewertungsillusion“: „Die Sparer fühlen sich reicher, obwohl sie in Wahrheit ärmer geworden sind.“
Grund dafür ist die Tatsache, dass sich die gestiegenen Vermögenswerte allein auf das Hier und Jetzt beziehen. Aber genau das interessiert die Sparer im Hinblick auf ihre Altersvorsorge wenig. Viel entscheidender ist für sie, wie viel ihr Vermögen in ein paar Jahren wert sein wird, nämlich dann, wenn sie von dem bis dahin angesparten Geld leben müssen. Und für viele wird es dann zu einem bösen Erwachen kommen.
Laut Sinn wird die EZB bis dahin nämlich aus ihrer Niedrigzinspolitik ausgestiegen sein. In der Folge würden die aufgeblähten Aktien- und Immobilienwerte wieder auf das Normalmaß fallen. Die Illusion des Reichtums wird sich dann in Luft auflösen. Stattdessen werden die Sparer merken, dass die EZB sie „nicht reicher, sondern ärmer gemacht (hat) – weil sie ihnen die Zinsen auf ihr Erspartes nimmt“.
Lesen Sie auch
„EZB-Illusion gefährdet Stabilität des Finanzsystems“
Diese „Bewertungsillusion“ trifft aber nicht nur die Sparer, sondern gefährde auch die Stabilität der Finanzmärkte. Die Banken, so Sinn, würden die rechnerische Aufblähung ihres Eigenkapitals für eine kreditfinanzierte Erhöhung der Dividendenausschüttungen nutzen und so ihre tatsächlichen Reserven verbrauchen. Mit dem Ende der Niedrigpolitik werde man aber erkennen, dass von den funktionierenden Banken nur noch „leere Hüllen“ übrig geblieben sind (Lesen Sie hierzu auch: “Griechische Banken mutieren zu „Zombiebanken“ – Notkredite der EZB rechtswidrig"). „Den Steuerzahlern wird am Ende nichts anderes übrig bleiben, als diesen Institutionen mit frischem Geld unter die Arme zu greifen oder sie de facto gleich zu übernehmen“, warnt Sinn.
Was also bleibt? Geht es nach dem ifo-Präsidenten, so ist es wahrscheinlich die Erkenntnis, dass die EZB den Sparern eine Vermehrung ihres Vermögens vorgaukelt, sie in Wahrheit aber gleich zwei Mal zur Kasse bittet: Indem Niedrigzinsen ihre Ersparnisse schmälern und weil sie am Ende der Hausse wohl wieder einmal marode Banken retten dürfen.