Hüfners Wochenkommentar
"Neue Zeitrechnung am Aktienmarkt"
17. Juni 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Unter den Anlegern am Aktienmarkt geht ein Gespenst um. Könnte 2015 genauso werden wie die Jahre 2000 oder 2008? Damals hatte der DAX jeweils einen Höhepunkt erreicht und stürzte dann dramatisch ab. Müssen wir das jetzt auch wieder befürchten?
Wenn man sich die Entwicklung des DAX anschaut (siehe Grafik), liegt es nahe. In den letzten Jahren erlebten wir einen Kursanstieg, der noch stärker war und noch länger dauerte als der in der Zeit vor 2000 oder 2008. An den Finanzmärkten gibt es – wie damals – Marktübertreibungen allerorten. Unternehmenskäufe und -zusammenschlüsse boomen. Im Mai wurden allein in den USA M&A-Transaktionen im Wert von 243 Milliarden US-Dollar abgeschlossen, so viel wie bisher noch nie. Das Geschäft mit Börsengängen floriert. Unternehmen haben es eilig, an der Börse Geld einzusammeln, bevor die Kurse wieder fallen. Geld ist leicht zu bekommen, die Zinsen sind niedrig.
Quelle: Bundesbank
Im Jahr 2011 begann eine neue Phase. Das Wirtschaftswachstum ließ nach und reichte nicht mehr, um die Kurse zu treiben. Dafür wurde die Geldpolitik immer expansiver. Die Europäische Zentralbank senkte die Zinsen. Sie flutete die Märkte mit Liquidität. Wir hatten eine Liquiditätshausse. Die dauert zwar noch an. Die EZB kauft immer noch Wertpapiere. Sie verliert aber an Kraft. Zum einen weil die Amerikaner langsam aus der ultralockeren Geldpolitik aussteigen und jetzt auch noch die Zinsen erhöhen wollen. Zum anderen weil der Instrumentenkasten der EZB leer ist. Sie kann die bisherigen Programme zwar weiterführen. Sie kann aber nichts nachlegen. Der Markt aber lebt immer von der Erwartung künftiger Maßnahmen.
Was aber kommt, wenn diese Phasen auslaufen? Meine Vermutung: Wir stehen vor einer Normalisierung der wirtschaftlichen und monetären Bedingungen. Die Ausnahmesituation mit all den Maßnahmen zur Bekämpfung der Folgen der Finanz- und Eurokrise geht zu Ende. Wir kommen wieder in vernünftigere Fahrwasser. Ich hatte das im März schon einmal für die USA beschrieben. Jetzt zeigt es sich aber auch hier an verschiedenen Indikatoren.