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    "Point of no Return"  4283  1 Kommentar Der Terror von Paris als Brandbeschleuniger für Europa

    Die schrecklichen Nachrichten aus Paris können niemanden unberührt lassen. Erneut ist der islamistische Terror auch für uns in Europa unmittelbar spürbar. Nach der ersten Trauer kommen auch Überlegungen zu den ökonomischen Konsequenzen dieser Anschläge ins Blickfeld. Auch wenn der Terror die bestehenden Entwicklungen nicht ändern wird, so wird er sie zumindest beschleunigen.

    Dabei lohnt ein kurzer vergleichender Blick auf die ökonomische Situation am 11. September 2001. Die amerikanische Wirtschaft steckte bereits in der Rezession, die Kapitalmärkte waren bereits vom Platzen der Dot-Com-Blase angeschlagen. Die Anschläge drohten die Wirtschaft und die Finanzmärkte weiter in die Krise zu stürzen. Die US-Notenbank hatte damals aber noch genügend Spielraum, um mit deutlichen Zinssenkungen die Wirtschaft noch einmal zu beleben. Wenn auch zum Preis einer weitaus größeren Krise ein paar Jahre später, als die vom billigen Geld aufgepumpte Immobilienblase platzte.

    Heute befinden wir uns in einer schlechteren Situation. Die Schulden sind höher, die Zinsen schon auf praktisch Null, die grundlegenden Probleme der Eurozone nicht gelöst. Dennoch werden auch heute die Notenbanken und die Staaten alles tun, um ein Abgleiten in eine erneute Rezession zu verhindern. Konsumenten mögen sich zwar aus Angst von Anschlägen mit Konsum zurückhalten, doch dank Internethandel würde dies vor allem nur die stationären Geschäfte treffen und der ohnehin stattfindende Strukturwandel zusätzlichen Schub bekommen.

    Insofern sind unmittelbare wirtschaftliche Effekte nicht wirklich zu erwarten. Doch blicken wir weiter. Die Staaten leiden unter zu hohen Schulden, die in vielen Ländern schon lange den "point of no return" hinter sich gelassen haben. Frankreich hätte auch ohne die Anschläge nie und nimmer seine Staatsschulden ordentlich bedient. Nun bieten der Terror, die Flüchtlingskrise und der sich abzeichnende Krieg die Rechtfertigung, um die Politik in Gang zu setzen, die ohnehin zu erwarten war:

    * Eine offizielle Abkehr von der Sparpolitik. Nicht nur die Kosten der Flüchtlingskrise dürften bei der Berechnung der Defizite außen vor bleiben, auch die Ausgaben für das Militär.

    * Ein immer offenerer Einstieg in die Monetarisierung der Staatsschulden. Ohnehin ein Lieblingsthema auf der Agenda der politischen Linken und der Eliten in den Krisenstaaten inklusive Frankreichs, dürften in diesen "ungewöhnlichen Zeiten" auch entsprechend ungewöhnliche Maßnahmen angezeigt sein. Wenn dann am Ende der EZB erlaubt wird, die Schulden in Geld zu verwandeln, wird es keine Rolle mehr spielen, ob der eigentliche Grund dafür die ohnehin schon bestehende untragbare Schuldenlast ist. Die akute Bedrohung durch Terror und Krieg wird als Begründung herhalten müssen und Kritiker zum Schweigen bringen.

    * Eine zunehmende Abschottung der eigenen Märkte. Nicht nur ist abzusehen, dass das Schengen-Abkommen – schlecht gemacht wie der Euro – seinem Ende zugeht. Damit wird aber eine Entwicklung eingeleitet, die die Gefahr in sich trägt, dass die Staaten Europas wieder mehr auf die Nationalstaatlichkeit zurückfallen. Von Grenzkontrollen bis zu den ersten Handelshemmnissen ist es dann nur noch ein kleiner Schritt – selbst wenn der Binnenmarkt formal bestehen bleibt.

    * Eine Radikalisierung der Politik dürfte dies verstärken. Von sechs Jahren Eurokrise gezeichnet wächst der Nährboden für eine zunehmende Radikalisierung und Nationalisierung der Politik. Damit wächst aber auch die Gefahr, dass die Vertretung nationaler Interessen noch deutlicher in den Vordergrund tritt und die Bereitschaft, gemeinsame europäische Lösungen zu finden, immer mehr abnimmt.

    * Was letztlich doch das Ende des Euro bringen könnte. Zunehmender Nationalismus, ungelöste Schulden und Wachstumsprobleme, zunehmende Spannungen zwischen den Ländern werden nicht nur radikale Kräfte stärken, sondern auch jene, die das starre Konstrukt des Euro aufbrechen wollen. In einem Europa, das immer mehr auf die Nationalstaaten zurückfällt, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis ein Mitgliedsland diesen Schritt geht.

    Dennoch wird man nicht sagen können, dass dies die Islamisten mit ihrem Terrorismus erreicht hätten. Es ist eine ohnehin schon bestehende Entwicklung, die sich durch die Anschläge von Paris nur beschleunigt.

    Ich hoffe, dass sich mein Bild als zu pessimistisch herausstellt. Dass es den Europäern doch gelingt, zusammen zu stehen und Binnenmarkt und Euro zu retten. Ohne eine großzügige Monetarisierung der Schulden wird dies aber nicht gehen. Egal ob uns in Deutschland das passt oder nicht. 





    Daniel Stelter
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    Dr. Daniel Stelter ist Makroökonom und Gründer des Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Von 1990 bis 2013 war Stelter Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group (BCG), wo er von 2003 bis 2011 weltweit das Geschäft der BCG Praxisgruppe Corporate Development (Strategie und Corporate Finance) verantwortete.

    Er ist Autor mehrerer Bücher. Sein aktuelles Buch „Das Märchen vom reichen Land - Wie die Politik uns ruiniert“ war auf der SPIEGEL Bestsellerliste. Twitter: @thinkBTO
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    Verfasst von Daniel Stelter
    "Point of no Return" Der Terror von Paris als Brandbeschleuniger für Europa Die schrecklichen Nachrichten aus Paris können niemanden unberührt lassen. Auch wenn der Terror die bestehenden Entwicklungen nicht ändert, so wird er sie beschleunigen. Dabei lohnt ein Blick auf die ökonomische Situation am 11. September 2001.

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