Sozial gerecht oder Lizenz zum Faulenzen?
Egal ob Maler, Manager oder Milliardär - Finnland will bedingungsloses Grundeinkommen für alle
800 Euro aufs Bankkonto. Jeden Monat. Ein Leben lang. Einfach so. Was wie ein Traum klingt, könnte in Finnland schon im kommenden Jahr Realität werden: ein bedingungsloses Grundeinkommen. Aber ist dieses Prinzip wirklich so traumhaft, wie es klingt?
Neu ist die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens nicht, doch nun könnte sie zum ersten Mal in die Tat umgesetzt werden. Die finnische Regierung plant Medienberichten zufolge ein monatliches Grundeinkommen in Höhe von 800 Euro. Die endgültigen Pläne sollen zwar erst im November 2016 fertig sein, trotzdem schlagen sie schon jetzt hohe Wellen. Denn im Gegenzug zum bedingungslosen Grundeinkommen will Helsinki sämtliche Sozialleistungen streichen, berichtet der Internetdienst „Quartz“.
Die Pläne sehen demnach vor, jedem finnischen Erwachsenen monatlich 800 Euro zu überweisen, ohne Ausnahme, ohne Bedingungen. Das Grundeinkommen steht also dem Arbeitslosen ebenso zu wie dem Millionär. Umgekehrt sollen dafür aber alle sonstigen Sozialleistungen wegfallen. Statt Arbeitslosengeld, Wohnungszulage oder Stipendium gäbe es fortan einzig und allein das bedingungslose Grundeinkommen.
Die finnische Bevölkerung spricht sich Umfragen zufolge mehrheitlich für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus. Auch die Regierung hat diesen Wunsch in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Nun sollen Taten folgen. Aber will die Regierung wirklich nur ein Wahlversprechen einlösen oder was steckt dahinter?
Mehr Grundeinkommen, weniger Arbeitslose …
Natürlich spielt auch ökonomisches Kalkül eine Rolle. So paradox es klingt, aber mit dem bedingungslosen Grundeinkommen will die Regierung vor allem die hohe Arbeitslosigkeit in den Griff kriegen. Diese befindet sich aktuell auf einem Rekordhoch. Fast zehn Prozent der Finnen haben keinen Job, die Jugendarbeitslosenquote liegt laut „BBC“ gar bei über 20 Prozent. Ein Grund für die hohe Arbeitslosenzahl? Ohne Arbeit haben manche Finnen am Ende mehr Geld in der Tasche, als wenn sie einen befristeten Job annehmen, weil ihnen dann Sozialleistungen gekürzt werden. Deshalb entscheiden sich viele Finnen lieber für den Weg in die Arbeitslosigkeit. Ein Fehlanreiz, der mit dem bedingungslosen Grundeinkommen beseitigt werden soll. Denn durch die monatlichen 800 Euro, so die Überlegung, können es sich mehr Menschen „leisten“, auch einen schlecht bezahlten Job anzunehmen. Die Sozialleistungen spielen dann keine Rolle mehr, weil es sie nicht mehr gibt.
Die finnische Regierung sieht im Grundeinkommen also in erster Linie einen Anreiz, arbeiten zu gehen. Das ist insofern interessant, als Gegner eines solchen Konzepts genau das gegenteilige Argument ins Feld führen, nämlich dass das Grundeinkommen zum Nichtstun verleite. Feldversuche zu diesem Thema stützen jedoch eher den finnischen Ansatz. „Bisherige Experimente haben gezeigt, dass Menschen mit einem bedingungslosen Grundeinkommen kein faules Leben führen“, konstatiert „Bloomberg“ und verweist auf Studien in Uganda und Kanada (Übrigens: Wie Sie mit Nichtstun sogar Millionär werden können, lesen Sie hier).
Lesen Sie auch
… und weniger Bürokratie
Für Helsinki gibt aber noch einen weiteren wichtigen Vorteil: die doppelte Ersparnis. So wäre das bedingungslose Grundeinkommen wohl einerseits deutlich günstiger als das jetzige Sozialsystem („Quartz“ schätzt die Kosten auf 46,7 Milliarden Euro). Andererseits würde der Wegfall aller Sozialleistungen den Verwaltungsaufwand erheblich verringern. Der Staat könnte demnach auch hier noch einmal kräftig sparen.
Klingt doch super. Weniger Kosten, weniger Bürokratie und vor allem: Gleichheit für alle. Was spricht also gegen den finnischen Vorstoß?
Bedürftige bleiben auf der Strecke
Wenn das Ziel des Grundeinkommens ist, die Arbeitslosigkeit zu senken, so muss dessen Höhe so gewählt sein, dass das Geld knapp zum Überleben reicht, mehr aber auch nicht. Insofern ist davon auszugehen, dass mit den 800 Euro keine großen Sprünge möglich wären. Wenn nun aber im Gegenzug alle anderen Sozialleistungen wegfallen, was passiert dann mit all denen, die tatsächlich auf solche Hilfen angewiesen sind? Man wird die genauen Details der finnischen Pläne abwarten müssen, doch schon jetzt scheint klar: Es wird auch Verlierer dieses neuen Systems geben.
Unternehmen dürften dagegen eher auf der Gewinnerseite stehen. Die finnische Regierung will erreichen, dass Menschen, gestützt durch die 800 Euro, auch prekäre Arbeitsverhältnisse eingehen. Insofern könnte man das Grundeinkommen auch als Anreiz für Lohndumping sehen. Wieso höhere Löhne zahlen, wenn der Staat die Menschen ohnehin mit einem Basiseinkommen ausstattet? Und wie werden sich eigentlich Preise und Lebenshaltungskosten entwickeln, wenn jedem Bürger, egal ob Maler, Manager oder Milliardär, monatlich mindestens 800 Euro zur Verfügung stehen?
Bedingungsloses Grundeinkommen – Eine gute Idee?
Fakt ist: Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein spannendes Konzept mit vielen Facetten. Diskutieren Sie mit uns über Chancen und Risiken eines monatlichen Basislohns und stimmen Sie ab!