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    Marktkommentar  1391  0 Kommentare Didier Saint-Georges (Carmignac): Das Erwachen der Märkte

    Die Märkte, die sechs Jahre lang durch extrem lockere Geldpolitiken betäubt wurden, konnten die wirtschaftlichen Realitäten schließlich auch 2015 weitestgehend ignorieren und blieben der Logik des Flusses unterworfen. Den europäischen Aktienmärkten verhalf vor allem der Rückgang des Euro zu rekordverdächtigen Kursentwicklungen (in Euro gerechnet), obwohl die wirtschaftliche Entwicklung enttäuschend war. In US-Dollar übertraf die Performance der europäischen Märkte 2015 kaum die sehr mäßige Entwicklung des US-amerikanischen S&P 500 Index (-0,7%). An den Anleihemärkten können nur Anleger, die vor allem auf Staatsanleihen Griechenlands oder der Ukraine wetteten, mit spektakulären Performances aufwarten. Diese Papiere legten im Jahresverlauf um 28% bis 38% zu, während beide Länder haarscharf am Zahlungsausfall vorbeischlitterten.

    Allerdings traten an den Schwachstellen der wunderbaren Welt der zentralbankgesteuerten Märkte, auf die wir im vergangenen Jahr bereits hingewiesen haben, die ersten Risse auf. So war 2015 für Anleger nicht zu übersehen, welche Folgen jahrelange Überinvestitionen in den US-Energiesektor für die Aktien- und Kreditmärkte hatten. Da die Zentralbanken immer mehr durch ihre Unterstützungspolitik eingezwängt werden, kündigt sich für 2016 das Erwachen der Märkte gegenüber den wirtschaftlichen Realitäten an.

    Die Märkte sind anfällig

    Zur Erinnerung: Die Anfälligkeit, die uns Sorgen bereitet, beruht insbesondere auf einem zunehmenden Mangel an Flexibilität bzw. Widerstandsfähigkeit gegenüber möglichen Schocks, unter dem der größte Teil der Weltwirtschaft leidet. Diese Anfälligkeit basiert auf der Verschuldung der Staaten, Unternehmen und Privatpersonen, die von den Zentralbanken seit 2009 unterhalten wurde, indem sie ihre Kosten radikal subventionierten. Seit 2000 stieg der Verschuldungsgrad (des öffentlichen und privaten Sektors) in den USA von 200% auf 280%, in Japan von 420% auf 510%, in Griechenland von 180% auf 320%, in Spanien von 180% auf 400% und in China von 120% auf 300%. Diese Schuldenstände zehren Wachstumspotenzial auf, und die Wachstumsschwäche verhindert wiederum einen Rückgang der Schuldenquote. Somit ist ein Teufelskreis entstanden, der schon bei der nächsten Konjunkturverlangsamung eine Gefahr für die Wirtschaft darstellt und zudem einen Anstieg der Kapitalkosten zur Folge haben könnte.

    Kollisionsdynamik

    Diese Gefahrenstellen sind jetzt beide gleichzeitig in Sichtweite, was die Aufgabe der Zentralbanken zusätzlich erschwert: Sie sind gezwungen, sowohl die Nominalzinsen sehr niedrig zu halten, als auch ihre Glaubwürdigkeit zu wahren, nachdem sie jahrelang die Notenpresse am Laufen hielten. Dies führte schließlich zu Spekulationsblasen, schlechter Kapitalzuweisung und zunehmenden sozialen Ungleichgewichten.

    Ein Jahr, nachdem sie ihre Politik der quantitativen Lockerung beendete, hat die Fed nun ihren ersten geldpolitischen Straffungszyklus seit 2004 eingeläutet. Nun gibt es erste Anzeichen für einen entstehenden Lohndruck. Sollten sich zusätzlich die Energiepreise 2016 stabilisieren, würde eine Umkehr der Inflationserwartungen einsetzen und der Druck auf die Fed zunehmen. Außerdem sträuben sich die Zentralbanken in Europa wie auch in Japan inzwischen, ihre Interventionen weiter zu verstärken.

    Gleichzeitig sind aber die Indikatoren für das verarbeitende Gewerbe in den USA, die sechs Jahre lang nach oben gezeigt hatten, inzwischen in den rezessiven Bereich gefallen. Zudem beginnt die Nachfrage nach Dienstleistungen zurückzugehen und China schwächelt auch noch. Der Konflikt zwischen Konjunktur und Zinszyklus ist voll im Gange: Die geldpolitische Illusion geht zu Ende.

    Europa - ein sicherer Hafen?

    Die verzögerte Reaktion auf den Konjunkturzyklus machte Europa 2015 zu einer der wenigen Regionen der Welt, in denen die Konjunktur anzog. Aber trotz dieser Erholung, des Verfalls der Energiepreise um die Hälfte, des Euro-Rückgangs um 25% und des historischen Tiefstands der Zinsen lag das Wachstum schließlich nur bei ungefähr 1,5%, was nicht ausreicht, um die Verschuldung zu stoppen und den Arbeitsmarkt anzukurbeln. Zudem wurde diese Leistung erst zu einem Zeitpunkt erreicht, an dem die deutsche Wachstumslokomotive an Schwung verlor - sinkende Produktivitätsdynamik und Rentabilität, Abhängigkeit vom weltweiten Konjunkturzyklus - und erste politische Probleme auftreten wie die Spannungen in der Regierungskoalition über die Migrationspolitik. Europa befindet sich Anfang 2016 also in einer wirtschaftlich anfälligen Lage, was gleichzeitig die Frage nach seinem politischen Zustand aufwirft. Der Aufbau Europas kann sich mit Sicherheit kein verlorenes Jahrzehnt nach japanischem Muster leisten.

    Die Schwellenländer, das Schreckgespenst der Anleger

    China und in der Folge die gesamte Weltwirtschaft zahlen heute weiter den Preis für das enorme Wirtschaftsförderungsprogramm von 2008. Hiermit konnte das Land zwar einen katastrophalen Konjunktureinbruch abwenden, aber musste dafür ein übermäßiges Kreditwachstum und eine Erhöhung der Kapazitäten auf ein immer noch deutlich überhöhtes Niveau in Kauf nehmen. Die Neuausrichtung der Wirtschaft auf den Dienstleistungssektor führte bereits zum Verfall der Rohstoffpreise und beeinträchtigt den Rest der Welt in unterschiedlichem Ausmaß. Ebenso belastet sie die Rentabilität in zahlreichen Branchen weltweit, denn sie hat einen erheblichen Anteil an den globalen Überschusskapazitäten. China ist noch stärker als die USA mit dem Risiko konfrontiert, dass es sich 2016 als schwierig erweisen könnte, den Dienstleistungssektor vollständig vor den Folgen der schleppenden Industriekonjunktur zu bewahren. Dem Willen der chinesischen Behörden, diese Verlangsamung durch expansive Geld- und Haushaltspolitiken zu stoppen, stehen Kapitalabflüsse, die seit August letzten Jahres ein hohes Niveau erreicht haben, und Bankbilanzen, die durch notleidende Aktiva schwer belastet sind, entgegen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass China dieses Jahr ihr lautstark verkündetes Ziel einer stabilen Währung aufgeben muss, um diese schwierige Gleichung zu lösen. Eine deutliche Abwertung des Renminbi wäre dann zwar eine Erleichterung für die Wirtschaft, würde aber bedeuten, dass die Problematik der industriellen Überkapazitäten sich von China aus noch schneller auf sämtliche Industrie- und Schwellenländer ausbreitet.

    2016 oder das Jahr des Erwachens der Märkte

    Da die Zentralbanken ihre Interventionsmöglichkeiten im Wesentlichen ausgeschöpft haben und der Bankensektor weiterhin durch eine äußerst strenge Regulierung gehemmt wird, sind in erster Linie Anleger mit den steigenden Marktrisiken konfrontiert. Gleichzeitig verringerte sich die Liquidität in allen Anlageklassen gerade wegen der wiederholten Intervention der Zentralbanken, die zu immer unberechenbareren Volatilitätsspitzen führt. Wenn der Preis "risikoloser" Anlagen dazu führt, dass diese nicht mehr als "sichere Häfen" gelten, erfordert das Risikomanagement den Einsatz gezielter, sehr aktiver Absicherungsstrategien. Diese gestatten wiederum, chancenorientiert vorzugehen, wenn kapitulierende Märkte außergewöhnliche Einstiegsgelegenheiten für diejenigen schaffen, die eine mittelfristige Sicht bewahrt haben. Vorzeichen solcher Kapitulationen sind bereits im Erdölsektor und in bestimmten Schwellenländer-Assets, darunter auch Anleihen, erkennbar.

    In Erwartung dieser Risiken, aber auch der Chancen, die sich dann ergeben, wenn man Anlagegewohnheiten ablegt, die in den letzten sechs Jahren noch angebracht erschienen, möchten Ihnen alle Teams von Carmignac gemeinsam mit mir ein aktives und erfolgreiches neues Jahr wünschen.

    Ihr Didier Saint-Georges




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    Marktkommentar Didier Saint-Georges (Carmignac): Das Erwachen der Märkte Die Märkte, die sechs Jahre lang durch extrem lockere Geldpolitiken betäubt wurden, konnten die wirtschaftlichen Realitäten schließlich auch 2015 weitestgehend ignorieren und blieben der Logik des Flusses unterworfen. Den europäischen Aktienmärkten verhalf vor allem der Rückgang des Euro zu rekordverdächtigen Kursentwicklungen (in Euro gerechnet), obwohl die wirtschaftliche Entwicklung enttäuschend war. In US-Dollar übertraf die Performance der europäischen Märkte 2015 kaum die sehr mäßige Entwicklung des US-amerikanischen S&P 500 Index (-0,7%). An den Anleihemärkten können nur Anleger, die vor allem auf Staatsanleihen Griechenlands oder der Ukraine wetteten, mit spektakulären Performances aufwarten. Diese Papiere legten im Jahresverlauf um 28% bis 38% zu, während beide Länder haarscharf am Zahlungsausfall vorbeischlitterten.