Juristische Konsequenzen
Muss ZDF-Moderator Jan Böhmermann für Erdogan-Schmähgedicht in den Knast?
„Er lebt auf großem Fuß, der Boss vom Bosporus. Bei Pressefreiheit kriegt er nen Hals, drum braucht er viele Schals. Ein Journalist der was verfasst, das Erdogan nicht passt, ist morgen schon im Knast...“ Wird sich dies auch für den ZDF-Moderator Jan Böhmermann bewahrheiten?
+++ Update: Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungsverfahren ein +++
Satirestreit erster Akt: Der satirische Song "Erdowie, Erdowo, Erdogan“ der ARD-Endung „extra 3“ traf nicht so ganz den Nerv des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Jegliche Kritik an dem autokratischen Führungsstil, der weiteren Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit und dem Umgang mit Kritikern komme einer Präsidentbeleidigung gleich und soll nicht nur im Lande, sondern auch außerhalb der türkischen Landesgrenzen unterbunden werden. Doch die Einbestellung des deutschen Botschafters in der Türkei ging nach hinten los.
Rekordquote! Vermeldete der NDR, der den Beitrag flux mit türkischen und englischen Untertiteln versah. Für seine PR-Unterstützung kührte das Magazin „extra 3“ den türkischen Premier zum Mitarbeiter des Monats.
Satirestreit zweiter Akt: Im zweiten Programm, mit dem man nach eigenen Angaben besser sehen sollte, legte Jan Böhmermann mit dem „Neo Magazin Royale“ nach. Doch wie man schnell feststellte, sah man bald nicht besser, sondern nichts. Denn das ZDF löschte ein explizit und ausdrücklich als Schmähkritik auf den türkischen Präsidenten gekennzeichnetes und thematisch eingebettetes Gedicht aus der Mediathek. Es entspreche nicht den Qualitätsansprüchen des Senders, so die Begründung. Wie weit könne Satire von der Kunst-, Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt sein, fragte Böhmermann zuvor selbst. Und was könne man nicht machen? Die Antwort kam prompt. Schluss und Aus! (Hier geht’s zur redigierten Sendung.) Alle beteiligten Parteien verhielten sich so, wie es der Satiriker Böhmermann vorhergesagt hat.
Auf Facebook erklärte Böhmermann: „Ich denke, wir haben heute, am 1. April 2016, gemeinsam mit dem ZDF eindrucksvoll gezeigt, wo die Grenzen der Satire bei uns in Deutschland sind. Endlich!“
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Satirestreit dritter Akt: Wie jetzt bekannt wurde, könnte sich der ZDF-Moderator mit seinem Schmähgedicht höchst wahrscheinlich sogar strafbar gemacht haben. Das sei das Ergebnis einer internen juristischen Prüfung des Auswärtigen Amtes (AA), das damit auf den erheblichen Unmut reagierte, den Böhmermanns Erdogan-Kritik in der türkischen Regierung hervorgerufen hatte. Wie der „Tagesspiegel“ berichtet, ging die Prüfung einem Telefonat von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu voraus und wurde in einer Krisensitzung bereits am Sonntag im Ministerium vorgestellt. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert zeigten sich Merkel und Davutoglu einig, dass es sich um "einen bewusst verletzenden Text" handle. Dem entsprechend habe das ZDF bereits Konsequenzen gezogen. Zugleich habe Merkel "den hohen Wert“ betont, den die deutsche Regierung der Presse- und Meinungsfreiheit beimesse. Krisensitzung? Einmischung der Kanzlerin? Satire auf höchstem Niveau!
Doch damit nicht genug. Der Vorhang geht auf für den vierten Akt und die Frage: Muss der ZDF-Moderator seine Sendung bald aus dem Knast moderieren? Böhmermann hatte Erdogan unter anderem als "Ziegenficker" geschmäht. Die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts kann nach Paragraph 103 des Strafgesetzbuches mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet werden, wenn die Beleidigung in verleumderischer Absicht erfolgt, sogar mit bis zu fünf Jahren.
StGB Paragraph 103 heißt es wörtlich: „Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“
Update: 16.30: Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungsverfahren ein
Wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Mainz strafrechtliche Ermittlungen gegen Jan Böhmermann eingeleitet. Die Leiterin der Ermittlungsbehörde, Andrea Keller, bestätigte ein aktuelles Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Beleidigung von Organen oder Vertreter ausländischer Staaten. Demnach seien "bei der Staatsanwaltschaft Mainz bislang rund 20 Strafanzeigen von Privatpersonen eingegangen", denen nun nachgegangen werde. Ungemach droht auch von anderer Seite: Zugleich habe man auch das Bundesjustizministerium unterrichtet, "um zu klären, ob seitens der Türkei bzw. ihres Staatsoberhauptes ein Strafverlangen gestellt wird“, so Obsterstaastsanwältin Keller.