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    Kolumne  839  0 Kommentare Dr. Georg Graf von Wallwitz (Eyb & Wallwitz): Der Markt und die Machtfrage

    Politische Börsen haben kurze Beine, heißt es. Daran ist auch nicht zu rütteln, die Erfahrung hat es Spekulanten jeden Kalibers gelehrt. Politik betrifft einzelne Branchen meist sehr viel stärker als ganze Länder - wie etwa die deutschen Versorger, denen nach Fukushima das Geschäftsmodell abhandengekommen ist. Der Austausch des Personals an der Spitze ist oft irrelevant.

    Etwas anderes ist es, wenn sich die politische Landschaft verändert. Dann ist der Investor sehr wohl angehalten, sich genau mit der Frage zu befassen, was sich da verschiebt. Denn von der politischen Landschaft hängt der Wohlstand eines Landes in nicht geringem Maße ab.

    In die Politik in der westlichen Welt ist nun eine Bewegung gekommen, die über die Frage der Frisur der Kandidaten hinausgeht. Die Wählerschaft ist unzufrieden geworden mit den alten Eliten und Parteien. Zäune und Grenzkontrollen erfreuen sich steigender Beliebtheit, der Ton zwischen den Völkern wird rauer, es bilden sich neue ungewohnte Allianzen. Kurz, die Machtfrage wird in anderen Kategorien gestellt, als wir es in der Nachkriegsordnung gewohnt waren.

    Die verunsicherte Mittelschicht

    Fragt man nach den ökonomischen Gründen der Situation (und blendet die mentalitätsgeschichtlichen einmal aus), so ergibt sich etwa folgendes Argument: Seit den 90er-Jahren geht es für die Mittelschicht in der westlichen Welt nicht mehr aufwärts. Real stagnieren die Löhne. Andererseits gab es im Rest der Welt einen erheblichen Zuwachs an Wohlstand, sodass wir im Westen heute nicht mehr in der gewohnten Weise auf Chinesen, Inder, Türken etc. herabschauen können. Und innerhalb des Westens ist der ganze Zugewinn an Wohlstand an eine dünne Elite, das so genannte "eine Prozent" gegangen. Die Mittelschicht fühlt sich also von den Reichen abgehängt und muss Angst haben, von den Armen bald überholt zu werden.

    Die Mittelschicht muss aber auch viele echte Sorgen aushalten, ihr Problem ist nicht nur der Neid auf die anderen. Beispielsweise bedeutet das extrem niedrige Zinsniveau, dass für die Altersvorsorge immer mehr zurückgelegt werden muss. Die Versprechen der staatlichen Rente werden ja nicht besser (wenn wir uns nicht auf Zuwanderung ungekannten Ausmaßes einlassen wollen). Die vergreisende Gesellschaft kann sich selbst immer weniger versorgen. Daraus ergibt sich auch einer der Gründe, warum der Konsum zu schleppend in Gang kommt. Obwohl den Bürgern durch die niedrigeren Ölpreise erheblich mehr von ihrem Einkommen zur Verfügung steht, können sie nicht mehr ausgeben: Sie müssen umso mehr sparen, je weniger es sich lohnt.

    Hinzu kommt eine erhebliche Verunsicherung durch neue Technologien, welche die typischen Jobs der Mittelschicht bedrohen. Es geht nicht mehr nur um Fließbandarbeiter und Taxifahrer, sondern nun auch um Buchhändler, Anwaltsgehilfen, Buchhalter, Journalisten, Fondsmanager. Auf der einen Seite beunruhigen die neuen Technologien weite Teile der Bevölkerung, auf der anderen machen sie ein paar wenige Spieler sinnlos reich. WhatsApp etwa hat den alten Telekommunikationsgesellschaften mit ihren unzähligen Mitarbeitern das profitable Geschäft mit den SMS kaputt gemacht, selbst hatte die Firma aber nur ca. 30 Mitarbeiter, als sie an Facebook für gut 20 Milliarden Dollar verkauft wurde. Einige glückliche Milliardäre stehen vielen arbeitslosen Postlern gegenüber. Die einen brauchen jetzt keinen Job mehr, die anderen werden nur sehr schwer einen finden.

    Macht statt Markt

    Zweierlei ist dabei besonders bitter. Erstens sind die Produktivitätszuwächse deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Firmen der New Economy haben zwar unser Leben durchaus verändert, aber das mittlere Haushaltseinkommen ist in den letzten 25 Jahren kaum gestiegen. Und zweitens haben sich monopolistische Strukturen gebildet: An Amazon, Apple, Facebook, Google, Uber, aber auch an vielen Pharmafirmen kommt niemand mehr vorbei. In vielen anderen technologieintensiven Nischenmärkten lässt sich ein ähnliches Phänomen beobachten, man denke an Industrieroboter oder Aufzüge oder Flugzeugtriebwerke. Diese Firmen machen extrem gute Gewinne, denn sie haben kaum Konkurrenz. Für viele Produkte gibt es heute keine Märkte mehr im klassischen Sinn. Die Macht hat den Markt ausgehebelt. Für die Akzeptanz des marktwirtschaftlichen Systems ist es aber Gift, wenn die Gewinner von vornherein feststehen und die Menschen nicht mehr an die Fairness der Märkte glauben. Sie laufen dann gerne Rattenfängern hinterher, die ihnen versprechen, die Märkte gegen Ausländer abzuschotten, als würde es dadurch gerechter zugehen.

    In gewisser Weise ist diese Situation ein Traum für Investoren. Die Firmen in den oligopolistisch strukturierten Märkten sind extrem profitabel und es deutet wenig darauf hin, dass sich dies in absehbarer Zeit ändert. Ihnen gehören diese Märkte, die sie oft genug erst selbst erfunden haben. Die von uns verwalteten Fonds sind in erheblichem Umfang in diesen Aktien investiert und ein großer Teil unserer Performance in den letzten Jahren ist ihnen zu verdanken.

    Aber es ist klar, dass diese Situation nicht von Dauer sein kann. Es wäre das erste Paradies, aus dem die unvorsichtig gewordenen Bewohner nicht irgendwann vertrieben werden. Es ist heute schon klar, dass zukünftig Kapitaleinkommen, Immobilien und hohe Gehälter höher besteuert werden. Monopole werden einen guten Teil ihrer Gewinne abgeben oder zerschlagen (egal wer in den USA oder Deutschland die Wahlen gewinnt). Wenn nicht freiwillig, dann durch die Wahl von Populisten in die Regierungen.

    Man kann heute schon sehen, welche Bremsspuren die Wahl von Populisten in Ungarn und zuletzt in Polen an den Währungs- und Aktienmärkten hinterlassen hat. Man könnte meinen, die Linkspartei sei gewählt worden. Die Märkte können offensichtlich mit Nationalisten nicht mehr anfangen als mit Sozialisten.

    Die Konsequenz für uns ist zwiespältig. Einerseits freuen wir uns an den Monopolgewinnen unserer Investitionen. Andererseits sehen wir, dass das Ende dieses Zustandes nur noch eine oder zwei Wahlperioden entfernt ist. Als Anleger hofft man, dass es noch eine Weile so weiter geht. Als Ökonom hofft man, dass die Märkte sich die Macht bald wiederholen. Und als Bürger hofft man, dass sich die Vernunft auch in der Politik wieder durchsetzt. Damit politische Börsen auch weiterhin kurze Beine haben.




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