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    Widerrufsjoker bis zum 21. Juni 2016

    Viele Darlehen, die zwischen November 2002 und Juni 2010 vergeben wurden, enthalten fehlerhafte Widerrufsbelehrungen. Interessant ist dies vor allem für Immobiliendarlehen, weil diese Kredite mit einer Zinsfestschreibung einhergehen. Private Kunden können daher ihren laufenden Vertrag kündigen und viel Geld sparen, allerdings nur noch bis zum 21.06.2016.

    Zu Jahresbeginn hat das Bundesfinanzministerium für Justiz und Verbraucherschutz eine Gesetzesnovelle auf den Weg gebracht, die die Widerrufsmöglichkeit bei Darlehensverträgen zeitlich befristet. Dieses Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie trat am 21.03.2016 in Kraft und sieht eine dreimonatige Frist vor, sodass Darlehensnehmer nur noch bis zum 21. Juni Zeit haben, von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, da bis dahin der sogenannte „Widerrufsjoker“ ausläuft.

    Diese Reform des Gesetzes wurde vom Staat vorgenommen, um die fortwährende Klagewelle von Kreditnehmern zeitlich zu befristen und einzudämmen. Etwa zehn Millionen private Baukredite wurden im Zeitraum von 2002 bis 2010 gewährt und etwa drei Viertel hiervon sollen eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung enthalten. Schätzungen zufolge sollen bislang nur etwa 10 Prozent der betroffenen Kunden ihr Widerrufsrecht genutzt haben.

    Diese Zahlen überraschen die derzeitige Zinslage. Eine Vorfälligkeitsentschädigung wird durch den „Widerrufsjoker“ nicht fällig und eine Neufinanzierung bzw. Umschuldung wäre sinnvoll. Das bislang so wenige Verbraucher Nutzen daraus ziehen, liegt zum einen daran, dass die betroffenen Kunden keine Kenntnis von der Möglichkeit des Widerrufs haben, und zum anderen, weil die Darlehensnehmer vor möglichen Prozess- und Anwaltskosten zurückschrecken.

    BaFin agiert nicht verbraucherfreundlich

    Obwohl die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im öffentlichen Interesse tätig sein sollte, versäumt sie in diesem Fall, die Verbraucher hinlänglich zu informieren oder gar etwas in deren Interesse zu unternehmen, denn durch das neue Gesetz wird das Verbraucherrecht eingeschränkt, was in der Mitteilung der BaFin nicht deutlich wird.

    Da die BaFin aber auch das Vertrauen in das Finanzsystem und die Rechte der Kunden stärken soll, sehen Verbraucherschützer das Handeln bzw. Nicht-Handeln der Aufsichtsbehörde als Fehlleistung an. Dazu sagt Dr. Annabel Oelmann, Vorstand der Verbraucherzentrale Bremen: „Es hat nichts mit der Schaffung von Vertrauen in die Finanzwirtschaft oder mit Verbraucherschutz zu tun, wenn die Bankenaufsicht es nicht für notwendig erachtet, über gesetzliche Verbraucherrechte, wie das Widerrufsrecht, sachlich zu informieren“.

    Banken verhindern BGH-Urteil

    Dass die Banken kein großes Interesse daran haben, ihre Kunden darüber zu informieren, wie diese Geld sparen können, versteht sich quasi von selbst. Bestehende Kreditverträge zu höheren Zinsen auf Kosten des eigenen Gewinns nicht zu ändern, ist insofern nur logisch. Aber die Banken nutzen nicht nur die Unwissenheit ihrer Kunden, sondern auch das Justizsystem.

    Bevor es zu einem Urteil des Bundesgerichtshofes kommt, einigen sich die Banken mit einzelnen Kunden, so dass ein höchstrichterliches Urteil erst gar nicht in Aussicht steht. Untere Instanzen der Gerichte haben somit keine allgemeine Vorlage für Entscheidungen in ähnlichen Fällen, die dementsprechend lange verhandelt werden müssen. Das sorgt für Unsicherheit unter Kunden und führt zu höheren juristischen Kosten.

    Prozesskosten vermeiden

    Vor dem Widerruf sollte man mit einem Rechtsanwalt oder gegebenenfalls bei einer Verbraucherzentrale klären, ob der eigene Kreditvertrag eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung enthält. Fehler, die bei der Widerrufsbelehrung in den Verträgen auftreten, sind beispielsweise:

    • Kein eindeutiger Fristbeginn des Widerrufs
    • Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot durch unklare Formulierungen
    • Klausel nicht fettgedruckt
    • Pflichtangaben nach §492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB fehlen
    • Widerrufsfolgen fehlen oder sind unvollständig

    Ist dies der Fall, sollte man abwägen, wie man fortfährt. Die Möglichkeiten bestehen entweder darin, Klage einzureichen oder eine außergerichtliche Einigung zu finden. Um Kosten zu vermeiden, sollte man vorher abklären, ob die eigene Rechtsschutzversicherung die anfallenden Prozess- und Anwaltskosten übernimmt oder eventuell eine Prozessfinanzierung sinnvoll ist, bei der man einen Teil der erstrittenen Summe abtreten muss.

    Wenn die finanzierte Immobilie kein Neubau war oder auch nicht vermietet wurde, greift meistens die Rechtsschutzversicherung. Die Versicherung muss zu dem Zeitpunkt bestehen, wenn der Schadensfall eintritt. Der Schadensfall ist hierbei allerdings nicht der Vertragsabschluss des Kreditantrags, sondern dass die Bank den Widerruf nicht anerkennt. So kann auch eine Rechtsschutzversicherung greifen, die erst nach Abschluss des Darlehens vereinbart wurde.

    Außergerichtliche Einigung oder Prozess

    Wer versucht, außergerichtlich eine Lösung zu finden, der kann mit niedrigeren Zinsen rechnen, die in der Folge gezahlt werden müssen. Der Zinssatz wird nach einer Einigung an den aktuell gültigen Marktzins angepasst, so dass aus den vor einigen Jahren gültigen Zinsen von vier bis fünf Prozent weniger als zwei Prozent werden können.

    Diese Lösung ist für beide Seiten die einfachste Variante und bedeutet obendrein für den Verbraucher eine erhebliche Verringerung der finanziellen Belastungen. Die monatlichen Raten würden somit etwa halbiert, womit sich die meisten Kreditnehmer bereits zufriedengeben.

    Für eine Rückabwicklung des Darlehens muss man allerdings grundsätzlich vor Gericht gehen. Bei einer Rückabwicklung hat der Kunde jedoch das Recht auf eine Entschädigung für die bereits abgelaufene Kreditlaufzeit und somit auch auf insgesamt höhere Streitsummen. Das lohnt sich vor allem für Darlehen, die am Anfang des Zeitraums seit November 2002 aufgenommen wurden, da hier die bereits gezahlte Zinsmenge deutlich höher ist als bei neueren Krediten.

    Viele Banken gehen allerdings nicht auf außergerichtliche Einigungen ein, so dass der Gang vor das Gericht unausweichlich ist. In zahlreichen Fällen wurden bereits Entscheidungen getroffen, allerdings können diese natürlich je nach Umständen anders ausfallen.

    Infografik zum Widerrufsjoker

    Infografik zum Widerrufsjoker. Bildquelle: wallstreet-online.de

    Abschreckung durch die Banken

    Viele Fälle gingen zwar bereits positiv für Verbraucher aus, jedoch versuchen Banken auf unterschiedlichen Wegen, dies zu verhindern. Bei der Masse an fehlerhaften Verträgen und der großen Differenz zwischen damaligen und heutigen Zinsen entstehen den Banken Schäden in Millionenhöhe. Deshalb setzen die Finanzinstitute alles Mögliche daran, den Verbrauchern den Widerruf möglichst zu erschweren .

    Vor allem die großen Anbieter der Branche setzen auf Abschreckung. Beim Widerruf des Kredits muss der fällige Restbetrag an das geldgebende Institut zurückgezahlt werden. Natürlich kann dies kaum ein Kunde über das Eigenkapital stemmen, so dass eine Refinanzierung mithilfe eines neuen Kredits nötig wird.

    Kunden, die ein neues Darlehen zur Begleichung der Restschuld aufnehmen wollen, stehen aber häufig vor großen Schwierigkeiten, eine Bank zu finden, die dieses Darlehen gewähren möchte. So kann es passieren, dass die Immobilie zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben wird, wenn nicht innerhalb von 30 Tagen die Schuld beglichen wird.

    Auch bei fremden Instituten wird es daher oft schwierig, bei diesem „Schutzschirm unter Banken“ eine Umschuldung zu realisieren. Daher sollte man bereits vor dem Widerruf des eigentlichen Darlehens abklären, wo man eine Anschlussfinanzierung erhält. Wer eine Kreditzusage, die grundsätzlich vier bis sechs Wochen gilt, erhalten hat, kann mit einem Rechtsbeistand bedenkenlos den Widerruf des alten Vertrags in Angriff nehmen.

    Neue Darlehen von Gesetzesnovelle nicht betroffen

    Für Kredite, die ab dem 11.6.2010 abgeschlossen wurden, gilt weiterhin das ewige Widerrufsrecht, wenn diese mit fehlerhaften Widerrufsbelehrungen ausgestattet sind. Während die Fehlerquote bei Darlehensverträgen von 2002 bis 2010 bei bis zu 80 Prozent lag, sind die neueren Verträge indessen nicht mehr derartig fehlerhaft gestaltet.

    Jedoch entspricht auch hier noch etwa ein Drittel der Verträge nicht den gesetzlichen Vorgaben, so dass sich auch bei neuen Verträgen eine Überprüfung durch einen Rechtsanwalt lohnen könnte. Auch in diesen Kreditabschlüssen liegen die Zinssätze eventuell über dem heute üblichen Niveau, so dass ein Widerruf sinnvoll sein kann.

    Nur muss man bei diesen Abschlüssen eben nicht die Frist bis zum 21. Juni einhalten, so dass der Vorgang nicht so schnell abgewickelt werden muss wie bei Krediten, die bis zum 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden.




    Martin Brosy
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    Martin Brosy ist Tradingcoach und Mitbegründer der Trading Ausbildung www.trademy.de. Großen Einfluss auf sein ökonomisches Weltbild haben die Publikationen von Karl-Heinz Paqué und Joseph Schumpeter. Als Börsianer inspirieren ihn die Ansätze von Buffett, Burry, Livermore und Lynch.
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    Verfasst von Martin Brosy
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