Ein Crash jagt den nächsten
Brexit schickt Pfund Sterling auf den Weg zur Weichwährung
Das Pfund Sterling war einmal die wichtigste Währung der Welt doch seit Mitte des 20. Jahrhunderts verliert es von Krise zu Krise kontinuierlich an Bedeutung. Nach dem Brexit-Votum sind sich nun viele Experten sicher: Der bisherige Absturz ist noch nicht beendet.
Es gab einst eine Zeit, da wurden die wichtigsten Geschäfte auf der ganzen Welt noch in Pfund abgewickelt. Aufgrund der kolonialen Ausbreitung Großbritanniens erstreckte sich die Währungsunion der ältesten europäischen Geldeinheit über den gesamten Globus. Im Devisenhandel galt die Währung als sicherer Hafen. Doch seit das Pfund seinen Satus als Weltwährung an den US-Dollar abtreten musste, schlitterte es von einer Krise in die nächste.
Zu nennen wäre hierbei der heftige Absturz im Jahr 1985, als das Pfund kurzfristig noch 1,09 Dollar wert war. Zehn Jahre zuvor lag der Kurs noch bei 2,40 Dollar. Noch viel größer muss die Schmach sieben Jahre später gewesen sein, als der Spekulant George Soros gegen das Pfund wettete und damit richtig lag. Die britische Währung verlor gegenüber dem Dollar heftige 25 Prozent. Das Pfund hat seit 2006 gegenüber dem Dollar am meisten abgewertet und seit Auflösung des Bretton-Woods-Systems 1971 insgesamt fast die Hälfte seines Außenwerts verloren.
Brexit - der nächste Crash
Und heute? Der nächste Crash. Die nächste historische Abwertung. Mit der Abkehr Großbritanniens von der EU rauschte das Pfund mit einem Preis von 1,31 Dollar auf ein neues 30-Jahrestief. Eine Entwarnung geben die Experten noch lange nicht.
"Das Sterling wird in den nächsten Wochen und Monaten enorm unter Druck stehen", sagte Erik Nielsen, Chefvolkswirt der Londoner UniCredit-Bank der "Welt". Ihm zufolge können die Schockwellen des Brexit-Referendums "das Pfund auf Niveaus zurückwerfen, wie wir sie seit dem Plaza-Abkommen nicht mehr gesehen haben." Gemeint ist das Jahr 1985. Ein Absturz auf 1,25 Dollar stehe damit durchaus im Raum. Spekulanten würden mit ihren Shortpositionen mit dem Pfund derzeit sogar noch viel härter ins Gericht gehen.
Erholung? Langer Atem erforderlich!
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Auf eine rasche Erholung kann man diesmal nicht hoffen. Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lassen dies schlichtweg nicht zu. Nicht nur, dass die Bank of England demnächst gezwungen sein wird, eine extrem lockere Geldpolitik zu fahren. Auch der Schuldenberg aus der letzten Finanzkrise ist noch lange nicht abgebaut. Auf fast 90 Prozent des BIPs belief sich der öffentliche Schuldenstand im letzten Quartal von 2015. Insgesamt dürfte das Wachstum der britischen Wirtschaftsleistung in den nächsten Monaten auch einen erheblichen Dämpfer verpasst bekommen. Denn schon jetzt zeichnet sich eine gigantische Abwanderung von Großbanken und anderen Big Playern aus Londons Finanzdistrikt ab. (Lesen Sie mehr dazu: Tschüss, London, war schön mit dir! Konzerne bereiten Brexit-Abwanderung vor)
Zwar glauben nicht alle Experten an eine neuerliche Währungskrise. Nach Informationen der "Welt" traue man bei BNP Paribas dem Pfund bereits im dritten Quartal dieses Jahres wieder einen Anstieg auf 1,35 Dollar, im vierten Quartal vielleicht sogar auf 1,38 Dollar zu (auch wenn er in den nächsten Wochen erst einmal unter 1,30 Dollar sinken wird). Einig scheinen sich die Geldhäuser aber darüber zu sein, dass das Pfund erst einmal nicht mehr zum Ausgangsniveau aus der Zeit vor dem Referendum zurückkehren wird.