Dumme Eichhörnchen und die schwarze Null
Von Krise keine Spur? Die Lebenslüge vom Leistungsbilanzüberschuss
Deutschland ist wieder Exportweltmeister! – fast schon jubelnd wurde vor ein paar Tagen über eine Prognose des ifo-Instituts berichtet, derzufolge Deutschland mit einem Leistungsbilanzüberschuss von 310 Milliarden US-Dollar in diesem Jahr China überholen wird. Das würde 8,9 Prozent der Wirtschaftsleistung entsprechen – und damit in schöner Regelmäßigkeit wieder die Europäische Kommission auf den Plan rufen, die gemäß Stabilitätspakt ab einem Überschuss von 6 Prozent ein Prüfverfahren einleitet.
Auf der einen Seite also wird suggeriert, dass nichts deutlicher zeige, wie gut wir wirtschaftlich aufgestellt sind. Uns könne keiner. Unsere Industrien würden gut dastehen, seien hoch innovativ und ungemein wettbewerbsfähig. Die beste Basis also, um Wohltaten wie höhere Renten und bessere soziale Absicherung zu bezahlen. Migrations- und Eurokrise würden wir so doch locker meistern, wir können es uns doch leisten.
Auf der anderen Seite die Wettbewerber, die die deutschen Überschüsse als Risiko für die weltweite Finanzstabilität anprangern. Soweit muss man nicht gehen – aber schon im wohlverstandenen eigenen Interesse ist eine Korrektur der allzu positiven Interpretation angezeigt. Denn in Wahrheit ergeht es uns wie den Eichhörnchen, die zwar fleißig Nüsse sammeln und verstecken – also sparen – diese im harten Winter dann aber nicht wiederfinden. Den Eichhörnchen mag es letztlich egal sein, ob sie alle Nüsse wiederfinden, Hauptsache sie verhungern nicht. Uns darf es nicht egal sein, weil es erhebliche politische und soziale Verwerfungen mit sich bringen wird, wenn deutlich wird, dass wir unsere Nüsse nicht mehr wiederfinden.
Außenhandelsüberschuss ist Kapitalexport
Der Zusammenhang zwischen Außenhandelsüberschuss und Ersparnisbildung scheint wenigen Beobachtern wirklich klar zu sein. Deshalb an dieser Stelle ein kleiner Exkurs: Wenn ein Land einen Außenhandelsüberschuss erzielt, bedeutet dies zwangsläufig einen Export von Ersparnissen ins Ausland. Entweder in Form von Krediten oder aber in Form von Direktinvestitionen im Ausland.
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Um das zu erklären, nehmen wir einmal an, es gäbe keinen Außenhandel. In diesem Fall besteht die Volkswirtschaft aus den privaten Haushalten, den Unternehmen und dem Staat. Jeder dieser Sektoren kann sparen oder Schulden machen bzw. Eigenkapital erhöhen. Die Summe der Finanzierungssalden der drei Sektoren ist per Definition Null. Sparen die privaten Haushalte, was normalerweise der Fall ist, haben die Unternehmen üblicherweise ein Defizit, weil sie investieren und dabei auf die Finanzierung durch die privaten Ersparnisse angewiesen sind. Das, was die Unternehmen nicht brauchen, leiht sich dann der Staat. Sparen die Haushalte mehr als Unternehmen und Staat sich leihen wollen, kommt es zu einer Rezession, und die Angleichung erfolgt über sinkende Einkommen und Ersparnis oder höhere Staatsdefizite. Es ist in einer geschlossenen Volkswirtschaft, also einer Welt ohne Außenhandel, nicht möglich, „zu viel“ zu sparen. Es kommt zu einem Ausgleich.