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    Marktkommentar  916  0 Kommentare Edgar Walk (Metzler): Die Rolle der Fiskalpolitik in einer Nullzinswelt

    ​​Es scheint sich zunehmend die Erkenntnis durchzusetzen, dass die Geldpolitik an die Grenzen ihrer Wirksamkeit gestoßen ist, meint Edgar Walk in seinem aktuellen Marktausblick.

    ​​Es scheint sich zunehmend die Erkenntnis durchzusetzen, dass die Geldpolitik an die Grenzen ihrer Wirksamkeit gestoßen ist und weitere Lockerungsmaßnahmen der Wirtschaft aufgrund der negativen Effekte auf das Finanzsystem eher schaden würden. Die entwickelten Volkswirtschaften scheinen somit in einer Liquiditätsfalle zu stecken, für die die Standardlösung eine expansive Fiskalpolitik ist.

    Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass die Fiskalpolitik zunehmend in den Fokus rückt und internationale Institutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) eine deutliche Erhöhung der Staatsausgaben für Infrastruktur und Bildung fordern – und zwar von den Ländern, die noch fiskalischen Spielraum aufgrund einer im internationalen Vergleich niedrigeren Staatsverschuldung haben. 

    Mit einem ausgeglichenen Staatshaushalt und einem hohen Leistungsbilanzüberschuss steht Deutschland –wenig überraschend – ganz oben auf der Liste des IWF. Deutschland hat jedoch schon jetzt Vollbeschäftigung erreicht, sodass der Fiskalmultiplikator1 laut vieler empirischer Studien wohl nahe bei Null liegen dürfte. Der IWF scheint wohl zu hoffen, dass ein Fiskalimpuls in Deutschland nicht durch ein „Crowding-out“, also durch ein Verdrängen der privaten Nachfrage verpuffen, sondern zu höheren Importen führen würde. Deutschland würde so zwar keinen positiven Effekt durch steigende Staatsausgaben spüren, doch die Nachbarstaaten in Europa könnten davon profitieren.

    Es ist jedoch viel wahrscheinlicher, dass ein Fiskalstimulus in Deutschland zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen merklichen Inflationsanstieg bewirken würde – wie damals nach der deutschen Wiedervereinigung. Als eine Folge dessen müsste die EZB die Geldpolitik deutlich früher als erwartet straffen und die Zinsen würden merklich steigen. Für die europäischen Nachbarländer hätte der Zinsanstieg wahrscheinlich sehr negative Folgen, die die positiven Effekte etwas höherer Exporte nach Deutschland bei weitem übersteigen würden.

    Der deutsche Wiedervereinigungsboom kann als eine Warnung gesehen werden: Er bewirkte steigende Zinsen, und mit der erzwungenen Abwertung des britischen Pfunds und der italienischen Lira wäre fast das Europäische Währungssystem gesprengt worden.

    Ein noch gefährlicherer Vorschlag vieler ausländischer Volkswirte für Deutschland ist, die Löhne der Staatsbediensteten um 10 % bis 20 % zu erhöhen. Das bedeutete einen deutlichen Anstieg des Staatskonsums und eine massive Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit. Darüber hinaus ist es nahezu unmöglich die Löhne im öffentlichen Dienst wieder zu senken, falls das notwendig werden sollte. Die großen Schwierigkeiten Frankreichs, die Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen, sind hierfür ein Beispiel.

    Selbst neoklassisch geprägte Volkswirte, die Staatseingriffen gegenüber sehr kritisch eingestellt sind, sehen die Notwendigkeit für eine gute Infrastruktur und ein gutes Bildungsniveau als eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Volkswirtschaft. Deutschland hat sicherlich hierbei noch erheblichen Nachholbedarf. Nur wäre dafür aus unserer Sicht aufgrund der Vollbeschäftigung jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für größere Investitionen. Eine Möglichkeit der deutschen Regierung, dem IWF entgegenzukommen, bestünde darin, jetzt schon ein größeres Ausgabenprogramm für die Zukunft vorzubereiten, um schnell auf die nächste Rezession reagieren zu können (in Rezessionen ist der Fiskalmultiplikator1 oft sogar bei über 1,0). Glaubwürdige Vorbereitungen würden schon heute das Vertrauen der deutschen Unternehmen und Konsumenten in die Zukunft erhöhen und könnten positive Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft deutscher Unternehmen haben.   

    Im derzeitigen Umfeld hat Europa wahrscheinlich bessere Wachstumschancen, wenn alle Länder konsequent Strukturreformen umsetzen und der Bankensektor schnell seine notleidenden Kredite abbaut. In einzelnen Ländern mit einer hohen Arbeitslosigkeit können durchaus europäisch finanzierte Infrastrukturausgaben sinnvoll sein, wobei die Risiken von Verschwendung nicht zu unterschätzen sind. Die europäischen Konjunkturdaten dürften zeigen, dass die Wirtschaft derzeit stabil um etwa 1,5 % wächst und kein größerer Fiskalstimulus benötigt wird: Einkaufsmanagerindizes (Montag), ifo-Index (Dienstag) und europäischer Geschäftsklimaindex (Freitag). Erfreulich dürfte in diesem Zusammenhang die wahrscheinlich merkliche Wachstumsbeschleunigung in Frankreich (Freitag) auf 0,4 % im dritten Quartal sein. Darüber hinaus dürfte eine anhaltend moderate Erholung der Kreditvergabe zeigen, dass Europa zwar nur langsame, aber doch kontinuierliche Fortschritte bei der Bilanzbereinigung der Banken macht.

    Japan: Inflation im Fokus

    In Japan gibt es dagegen deutlich stärkere Argumente für eine expansive Fiskalpolitik als in Europa, da das Wirtschaftswachstum sich zuletzt abschwächte und die Inflation wieder im Abwärtstrend ist. Darüber hinaus war die japanische Inflation in den vergangenen Jahren oft ein Spielball des Wechselkurses. Die deutliche Aufwertung des japanischen Yen in den vergangenen Monaten bedeutet einen erheblichen Abwärtsdruck auf die Inflation (Freitag).

    Japan: Wechselkurs des japanischen Yen als Frühindikator für die Inflation in % ggü. Vj.

    Japan: Wechselkurs des japanischen Yen als Frühindikator für die Inflation in % ggü. Vj. Quellen: Thomson Reuters Datastream, Berechnungen Metzler; Stand: 15.8.2016

    Die Aufgabe der Bank von Japan in Zusammenarbeit mit der Fiskalpolitik wird es daher in den kommenden Monaten sein, diesen Zusammenhang mithilfe steigender Staatsausgaben und steigender Inflationserwartungen zu unterbrechen. Unterstützung könnte dabei vom Arbeitsmarkt (Freitag) kommen, der zunehmend unter einer demografisch bedingten Knappheit an Arbeitskräften leidet. 

    USA: Konjunktur im Zickzack nach oben

    Die Konjunkturerholung in den USA verläuft keineswegs geradlinig, sondern wird immer wieder von enttäuschenden Daten flankiert. Jedoch zeigen die grundsätzlichen Trends weiterhin nach oben, wie eine Wachstumsbeschleunigung von 1,4 % im zweiten Quartal auf 2,5 % im dritten Quartal zeigen dürfte (Freitag). Dabei sollten auch die Investitionsausgaben langsam wieder einen positiven Wachstumsbeitrag liefern, wofür die Auftragseingänge (Donnerstag) ein Frühindikator sind. Darüber hinaus werden noch das Konsumentenvertrauen (Dienstag) und der Einkaufsmanagerindex (Montag) veröffentlicht.

    Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht

    Edgar Walk

    Chefvolkswirt Metzler Asset Management

    1Der Fiskalmultiplikator misst den Effekt zusätzlicher Staatsausgaben oder Steuer- senkungen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Ein Fiskalmultiplikator von 0 besagt, dass zusätzliche Staatsausgaben oder Steuersenkungen keinen Effekt auf das BIP haben, da andere Komponenten des BIP wie der Konsum, die Investitionen oder der Außenbeitrag fallen. Ein Fiskalmultiplikator von 1 bedeutet, dass zusätzliche Staats- ausgaben oder Steuersenkungen einen Anstieg des BIP in gleicher Höhe bewirken.Ist der Fiskalstimulus beispielsweise schuldenfinanziert, dann würde die Verschuldung in % des BIP trotz Stimulusmaßnahmen unverändert bleiben.

    Lesen Sie den Kapitalmarktausblick hier im Original.




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