Frustration und Populismus
Das Establishment in der Defensive... El-Erian fordert höhere Steuern für Reiche
Mohamed El-Erian, der Chefstratege des Finanzkonzerns Allianz, legt den europäischen Staaten nahe, die Steuern für reiche Bürger zu erhöhen, um dem Populismus den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Ich fordere nicht, die Steuern für die Reichen zu senken – ganz im Gegenteil, wir sollten sie erhöhen“, sagte El-Erian im Gespräch mit der „Welt am Sonntag“.
Europa unterschätzt die Gewalt der populistischen Bewegung
Nach dem Wahlsieg Donald Trumps in den USA warnt der langjährige Chef der Fondsgesellschaft Pimco die Europäer, populistische Tendenzen nicht ernst genug zu nehmen. „Europa unterschätzt
wahrscheinlich noch die Gewalt der populistischen Bewegung“, sagte der Ökonom der „Welt am Sonntag“. „Sie sollten diese Entwicklung in Europa nicht auf die leichte Schulter nehmen. Diese
Frustration ist nicht auf die USA beschränkt.“ In den USA sei die aufgestaute Wut der Wähler auf das Establishment unterschätzt worden, auch weil vor der Wahl niemand zugeben wollte, mit Trump zu
sympathisieren.
Das Establishment gerät in die Defensive
El-Erian macht vor allem die Wachstumsschwäche, die seit Ausbruch der Finanzkrise viele Volkswirtschaften gefangen hält, verantwortlich für den erstarkenden Populismus. Das stabile aber geringe
Wachstum verstärke die wirtschaftliche Ungleichheit und nehme den Menschen die Perspektive. „Wenn ein Teil der Gesellschaft überdurchschnittlich stark vom Wachstum profitiert, ein anderer Teil aber
nicht, dann ist die Reaktion Wut“, sagte der Star-Investor der Zeitung. „Wir leben in einer Welt, wo das Establishment angegriffen wird und in die Defensive gerät.“
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Strukturreformen und Investitionen von Nöten
Der Ökonom empfiehlt der Politik deshalb, sich wieder aktiver darum zu bemühen, das Wachstum anzukurbeln. Zu länge hätten Politiker diese Aufgabe den Notenbanken überlassen. Die Instrumente der
Zentralbanken seien jedoch zunehmend wirkungslos und entwickelten immer stärker schädliche Nebenwirkungen. Es sei jetzt an der Politik, mit Strukturreformen und höheren Investitionen ihren Teil zur
Stärkung der Konjunktur zu leisten. Auch höhere Steuern für Reiche sollten Teil dieser Bemühungen sein.