Marktkommentar
Dr. Harald Preißler (BANTLEON): Italien-Ängste sind übertrieben
Selbst bei einem „Nein" zur Reform sollte kein politisches Chaos in Italien ausbrechen, meint Dr. Harald Preißler. Die Ängste seien übertrieben.
Das italienische Referendum über die Senatsreform hält die Finanzmärkte weiter in Atem. Aus unserer Sicht sind die damit verbundenen Ängste übertrieben. Selbst bei einem „Nein" zur Reform sollte kein politisches Chaos in Italien ausbrechen. Stattdessen ist von einem Durchwursteln der gemäßigten politischen Kräfte bis ins Frühjahr 2018 auszugehen. Daneben erwarten wir, dass die EZB ihr Anleihenkaufprogramm verlängert und damit ebenfalls zur Beruhigung der Lage beiträgt. Die Risikoprämien an den Anleihenmärkt
Die Politik hält die Finanzmärkte weiter auf Trab. Mit François Fillon als konservativem Herausforderer von Marine Le Pen steuert Frankreich auf einen äusserst polarisierenden Präsidentschaftswahlkampf zu. Die Bürger müssen sich entscheiden zwischen rückwärtsgewandtem Protektionismus auf der einen Seite und harten, neoliberalen Reformen auf der anderen Seite. Kein Zweifel, Frankreich steht 2017 vor einer weitreichenden gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Weichenstellung, die an den Märkten für gehörige Volatilität sorgen wird
So wie beim italienischen Senatsreferendum, das am kommenden Sonntag stattfindet. Eigentlich geht es dabei um die überfällige Reform des Zwei-Kammer-Systems, das seit Jahrzehnten für die politische Blockade im Land verantwortlich zeichnet und ein effizientes Regieren unmöglich macht. Leider hat Ministerpräsident Renzi sein politisches Schicksal an den Wahlausgang geknüpft und für den Fall einer Niederlage seinen Rücktritt angekündigt. Dadurch geht es am 4. Dezember um alles Mögliche – nur nicht um die Senatsreform. Die Umfragen sehen seit Monaten eine mehr oder minder deutliche Führung des Nein-Lagers. Ähnlich wie bei der Brexit-Abstimmung oder der Trump-Wahl ist jedoch die Zahl der Unentschlossenen sehr gross, was genügend Raum für (in diesem Fall positive) Überraschungen lässt.
Unabhängig davon, ob die Italiener sich nun für oder gegen die Reform entscheiden, und unabhängig davon, ob Matteo Renzi seine Rücktrittsdrohung wahrmacht: Keine der etablierten Parteien hat ein Interesse an vorgezogenen Neuwahlen. Zu gross wäre die Gefahr eines Triumpfs der eurokritischen 5-Sterne-Bewegung. Am wahrscheinlichsten ist daher ein Durchwursteln, bis 2018 die nächsten offiziellen Parlamentswahlen stattfinden. Sollte es hingegen doch zu vorgezogenen Neuwahlen kommen, böte ausgerechnet der nicht abgeschaffte Senat die Chance, ein Durchregieren der 5-Sterne-Bewegung zu verhindern – eine Ironie des Schicksals.
In Anbetracht dessen sehen wir keinen Grund zur Panik. Die an den Anleihenmärkten umgehende Furcht vor einer Rückkehr der Eurokrise teilen wir nicht. Eine zentrale Rolle spielt dabei auch die Europäische Zentralbank, die am 8. Dezember über die Zukunft ihres QE-Programms berät.
Die beharrlich niedrige Kerninflationsrate in der Währungsunion, die vielfältigen politischen Risiken innerhalb und ausserhalb Europas sowie die gestiegene Nervosität an den Finanzmärkten lassen dem EZB-Rat keinen Raum für Tapering-Experimente. Mario Draghi wird daher nicht umhin kommen, die Verlängerung des Programms über März 2017 hinaus anzukündigen und das zu eng gewordene Parameterkorsett des QE-Programms zu erweitern.
Am meisten davon profitieren dürften die Peripheriestaaten, mit Italien an der Spitze. Die Risikoprämien werden sich dank der grossvolumigen Zentralbankkäufe deutlich einengen. Dafür verlieren Bundesanleihen einen Teil ihrer Knappheitsprämie, was aber aufgrund der soliden Verfassung der deutschen Wirtschaft leicht zu verschmerzen ist. Die EUR-Aktienmärkte sehen wir angesichts der guten fundamentalen Rahmenbedingungen und der anhaltenden geldpolitischen Unterstützung vor einem Ausbruch aus der mehrmonatigen Seitwärtsrange nach oben!