Wird es jetzt bald dunkel?
Europa steht am Scheideweg, und das kann niemanden kalt lassen, schon gar nicht Börsianer. Die Situation ist gleichermaßen verfahren wie paradox.
Verfahren, weil es so viele unterschiedliche Kontexte gibt, die jedoch alle auf einen einzigen Punkt hinauslaufen. Und paradox, weil derzeit alles danach aussieht, als ob die deutsche Kanzlerin, die die europäische Spaltung in der Hauptsache verursacht hat, auch die einzige ist, die weit Schlimmeres verhindern kann.
Am Wochenende stehen die Bundespräsidentenwahl in Österreich und das Renzi-Referendum in Italien an. Das könnte beide Länder auf den Weg zu einem Austritt aus der EU bringen.
Ich habe die letzte TV-Diskussion der beiden österreichischen Kandidaten gesehen. Von ihren inhaltlichen Positionen her finde ich sie beide okay, doch ich beurteile Menschen niemals nach dem, was sie sagen, sondern was ich glaube, dass sie sind. Und da habe ich den Verdacht, dass Norbert Hofer eine Maske trägt, hinter der sich ein komplett anderer und ziemlich mieser Mensch verbirgt.
Doch vielleicht irre ich mich auch, hoffentlich. Aufgemerkt habe ich natürlich, dass Hofers Wahlkampfteam im ganzen Land Hofer-Masken verteilt hat. Entlarvender kann wirklich nichts sein. Als Freudianer wiehere ich dabei fast vor Freude.
Besonders interessant sind auch die aktuellen Entwicklungen in Frankreich. Hier haben sogar Sozialisten in den Vorwahlen mit François Fillon einen katholischen Erzkonservativen zum Kandidaten für die Wahl zum Staatspräsidenten gemacht, um damit möglicherweise Marine Le Pen vom Front National zu verhindern.
Fillon gilt allerdings als großer Freund Russlands und scheint dem dortigen Präsidenten Putin durchaus nahe zu stehen. Was ja auch vom designierten US-Präsidenten Trump gemunkelt wird.
Damit geriete die EU in eine fatale Schieflage, und wie es mit der NATO weitergeht, bleibt ja ohnehin nicht völlig klar. Wie könnte die Achse Frankreich-Deutschland weiter halten und den Takt angeben, wenn sich dann in Osteuropa die alten Ängste potenzieren und zudem der Nationalismus die EU nicht mehr nur von außen, sondern mitten im Zentrum angreift?
Ich persönlich sehe weit und breit niemanden mit Format, der hier einen Schiffbruch verhindern könnte – mit Ausnahme von Kanzlerin Merkel.
Als sie damals alle Grenzen aufgemacht hat, habe ich mir geschworen, diese Frau niemals mehr in meinem Leben zu wählen. Doch so, wie es jetzt aussieht, werde ich mich davon wohl distanzieren müssen.
Es gibt derzeit Wichtigeres, als an alten Schwüren festzuhalten.