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    Italien = Langzeit-Patient der Eurozone  5195  4 Kommentare "Eine extrem gefährliche Entwicklung"... ITALEXIT-Wahrscheinlichkeit gestiegen

    Am Sonntag stimmten die Italiener über die umfangreichste Verfassungsreform des Landes ab. Der Senat sollte so weit verkleinert werden, dass die Regierung bei der Umsetzung ihrer Pläne weniger Widerstand aus dem Parlament zu erwarten hätte.

    Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi knüpfte an den Ausgang des Referendums sein politische Schicksal - und verlor. 59 Prozent stimmten gegen die Verfassungsreform. Kurz nach Bekanntgabe der Ergebnisse erklärte Renzi seinen Rücktritt. Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella muss nun entscheiden, ob er den Rücktritt annimmt und jemand anders mit der Regierungsbildung beauftragt. Derweil rief er sein Land zu Ruhe und Besonnenheit auf: “Italien ist ein großes Land mit so viel positiver Energie. Auch deshalb ist es nötig, dass das politische Klima, selbst in der nötigen Dialektik, von Ruhe und gegenseitigem Respekt geprägt ist", so Mattarella in einer am Montag vom Präsidentenpalast verbreiteten Erklärung.

    Verlorene Zeit - Italien ist und bleibt ein Krisenkandidat

    Das Nein der Italiener beim Verfassungsreferendum ist nach Einschätzung von Volkswirten ein herber Rückschlag für das hoch verschuldete Land. Das Ergebnis der Abstimmung bedeute "weitere verlorene Zeit", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Ähnlich sieht das Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer: "Italien bleibt ein Krisenkandidat.“ Das Land habe eine weitere Chance vertan, die politischen Voraussetzungen zur Lösung der wirtschaftlichen Probleme zu schaffen.

    „Das ‚Nein‘ der Italiener zu einer umfassenden Senatsreform ist ohne Zweifel ein Rückschlag – auch für Europa“, kommentiert Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, den Ausgang des gestrigen Referendums. Mit den nun abgelehnten Vorschlägen von Ministerpräsident Matteo Renzi wäre der noch nicht abgeschlossene Umgestaltungsprozess hin zu wachstumsfreundlicheren Rahmenbedingungen erheblich erleichtert worden. „Das Ergebnis des Volksentscheids darf nun nicht zur Folge haben, dass italienische Politik wie Gesellschaft daraus einen Auftrag zum Reformstillstand ableiten.“

    Direkte wirtschaftliche Auswirkungen werde das abgelehnte Referendum jedoch nicht für das Land oder die Eurozone haben, so Eurogruppen-Chef, Jeroen Dijsselbloem. "Das ist ein demokratischer Prozess und ändert weder die wirtschaftliche Situation noch die Lage in den Banken", sagte Dijsselbloem bei einem Treffen der Euro-Finanzminister am Montag in Brüssel. "Die Probleme, die wir heute haben, sind dieselben wie gestern, und sie müssen gelöst werden."

    Italexit - Nun doch wahrscheinlicher?

    Das EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny sieht nach dem gescheiterte Referendum in Italien und dem angekündigten Rücktritt des Regierungschefs Matteo Renzi keine Gefahr eines Austritts des Landes aus der Eurozone. Auch nach dem "Nein" der Italiener zur Verfassungsreform sei ein Ausstieg Italiens aus dem Euroraum kein Thema, sagte Nowotny am Montag vor Journalisten. "Ich sehe überhaupt kein Anzeichen in diese Richtung." Ein solcher Schritte wäre auch "für alle Beteiligten eine extrem gefährliche Entwicklung", sagte der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank und Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB).

    Auch die Berenberg-Bank hält einen Austritt des Landes aus der Währungsunion weiterhin für unwahrscheinlich. Das Risiko habe jedoch etwas zugenommen - wenn auch nicht stark, erklärte Chefvolkswirt Holger Schmieding. Einen Schritt weiter geht Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die wirtschaftliche Stagnation der drittgrößten Euro-Volkswirtschaft werde sich nach dem angekündigten Rücktritt von Regierungschef Matteo Renzi verlängern: "Die Wahrscheinlichkeit, dass Italien dauerhaft Mitglied der Eurozone bleibt, ist gesunken.“

    Regierungskrise in Italien - Das ist nun wirklich nichts Neues

    "Gestürzte Regierungen in Italien sind nun wirklich nichts Neues, und Europa hat schon Vieles überlebt", betont ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Die Sorgen vor einer neuen Eurokrise seien übertrieben. Zwar sorge das Referendum für neue Unsicherheit. Möglicherweise liege in dem Nein aber auch eine Chance: "Eine technokratische Übergangsregierung kann die Probleme im Bankensektor und den erneuten Reformstau zusammen mit Europa rücksichtsloser angehen als die Regierung Renzi."

    Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater schätzt, dass die europäischen Finanzmärkte ebenso eine weitere italienische Regierungskrise überstehen werden. "Allerdings bleibt Italien ein Langzeit-Patient mit Krisenpotenzial in der Eurozone", schränkte er ein. Sollte es zu heftigen Turbulenzen an der Finanzmärkten kommen, rechnet Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud mit Interventionen der Europäischen Zentralbank (EZB).

    Eine Gefahr für die Eurozone will auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nicht erkennen. "Es gibt keinen Grund, von einer Euro-Krise zu reden", sagte Schäuble bei einem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel. Die Reaktionen an den Märkten seien entspannt. Der Ausgang der Volksabstimmung solle "mit einer gewissen Gelassenheit" zur Kenntnis genommen werden. In Rom müsse es jedoch dringend eine handlungsfähige Regierung geben, meinte Schäuble weiter: "Italien muss wirtschaftlich, politisch, den Weg, den Ministerpräsident Renzi in den letzten drei Jahren gegangen ist, mit großer Konsequenz fortsetzen."
     




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    Italien = Langzeit-Patient der Eurozone "Eine extrem gefährliche Entwicklung"... ITALEXIT-Wahrscheinlichkeit gestiegen Mit dem Ausgang des Verfassungsreferendum in Italien sei die Wahrscheinlichkeit, dass Italien dauerhaft Mitglied der Eurozone bleibt, gesunken. So sagen die einen. Gestürzte Regierungen in Italien seien nun wirklich nichts Neues, sagen die anderen.

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