"Es gibt zwangsläufig neue Blasen" - Interview mit Didier Sornette
Didier Sornette, einst Physiker, jetzt Ökonom und Professor für Entrepreneurial Risks an der ETH Zürich, will zeigen, dass Finanzkrisen wie Erdbeben und Explosionen von Treibstofftanks in Raketen nach Gesetzen funktionieren. "Wir wollen einen Paradigmenwechsel in der Ökonomie", sagt er.
Mit seinen bisherigen Prognosen liegt er richtig gut: 2004 erkannte Sornette das Anschwellen der Immobilienblase in den USA bis Mitte 2006. Und 2009 warnte er korrekt vor einer Blase beim Shanghaier Aktienindex.
Nun hat er das "Finanzblasenexperiment" gestartet. Er will beweisen, dass Blasen früh erkennbar sind und auch ihr Platzen vorhersagbar ist. Am 1. Mai wird Sornette Prognosen über die Entwicklung dreier Blasen veröffentlichen, die er bislang strikt unter Verschluss hät.
Ich hatte vergangene Woche die Möglichkeit den sehr sympathischen und unprätentiösen 52jährigen Franzosen in Zürich zu besuchen. Folgendes ist dabei heraus gekommen:
Blümel: Was zeichnet denn grundsätzlich eine Blase aus?
Didier Sornette: Man muss zunächst einmal unterscheiden zwischen Blasen in der Realwirtschaft, etwa in der Technologie, und Blasen an den Finanzmärkten. Die Entschlüsselung des
menschlichen Genoms ist ein gutes Beispiel für eine Technologieblase. Die Bekanntgabe der Erfolge in diesem Bereich löste eine gewaltige Euphorie aus – bei den Regierungen, im privaten Sektor, bei
den Investoren. Alles schien machbar, die Behandlung aller nur erdenklichen Krankheiten, sogar das Klonen. Aber man hat dabei vergessen, dass man doch eigentlich immer noch am Anfang steht, dass es
Jahrzehnte braucht, bis ein solch komplexes Thema wirklich verstanden ist. Man wollte zu schnell zu viel. Einer Blase liegt immer die Überschäzung der kurzfristigen Erfolgschancen
zugrunde. Es mögen Entdeckungen sein, die durchaus profitabel und gute Investments sind – das aber auf lange Sicht. Reinen Finanzblasen wiederum fehlt oft die langfristige Gewinnaussicht.
Dazu können sie schlimme Folgen haben, wie wir spätestens jetzt durch die Krise wissen.
Blümel: Demnach sind Blasen per se nichts Schlechtes.
Sornette: Richtig. Man kann sich dieses Phänomen ja zunutze machen. Regierungen etwa, wenn sie Dinge anschieben wollen, zum Beispiel nachhaltige, grüne Industrien.
Unternehmen, wenn sie das neue iPhone entdeckt haben. Und Anleger, wenn sie den Mut haben, die Welle zu reiten. Dann will man ja Blasen, Überoptimismus. In solchen Fällen sind sich
die Akteure einig, dass man Risiken eingehen will, die über das Normale, über eine gesunde Kosten-Nutzen-Analyse hinausgehen. So kann man Nischen erforschen. Und da sind dann immer wieder
weltbewegende Entdeckungen dabei.